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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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es mit den Trommeln zusammen, die seit Kurzem wieder zu hören waren, nachdem sie zwei Tage lang geschwiegen hatten. Jetzt schien ihr dumpfes Hallen wieder von überall her zu kommen, immer wieder an- und abschwellend, wie der hypnotische Ruf eines fremdartigen Lebewesens. Die weißen Männer unter den Flüchtlingen hielten es für teuflische Zauberei. Den alten Mann, der sich immer in Akins Nähe aufhielt, nannten sie den Hexer, und wäre es nach ihnen gegangen, hätten sie ihn am liebsten tot gesehen, denn mit der Muschelkette, die er murmelnd vor seine Füße warf, um sie anschließend anzustarren, war er ihnen unheimlich.
    Eine Reihe von Schuldknechten hatte sich bereits von den übrigen Aufständischen abgesondert. Sie waren nach Norden weitergezogen und wollten dort versuchen, ein Boot in ihre Gewalt zu bringen, um auf eine der Nachbarinseln zu fliehen. Gemeinsam mit den Schwarzen erwischt zu werden, so hatte sich einer von ihnen Deirdre gegenüber geäußert, könne nur darauf hinauslaufen, deren Schicksal zu teilen. Und die Schwarzen würden allesamt aufgeknüpft werden, das sei so sicher wie das Amen in der Kirche.
    Deirdre blickte auf den Rosenkranz, den sie um ihre Finger geschlungen hatte . Ave Maria, betete sie stumm, Daumen und Zeigefinger um eine winzige warme Perle gelegt. Gratia plena, Dominus tecum, benedicta tu in mulieribus, et benedictus fructus ventris tui, Jesus. Ein Schatten fiel über sie.
    » Na, süßes Püppchen«, sagte der Schotte, ein großer, wüster Kerl mit Pockennarben und einem anzüglichen Grinsen, das ihr Angst einjagte. » Willst du vielleicht für einen armen verwundeten Krieger ein kleines Gebet sprechen?« Er zeigte mit gespielter Wehleidigkeit auf seinen Oberarm, der von einer Kugel durchbohrt worden war. Die nur notdürftig verbundene Wunde sah tatsächlich schlimm aus, doch ihm schien es nicht viel auszumachen. Wie viele der entflohenen Schuldknechte war er von hartem Schlag, einer von den Zwangsdeportierten mit Strafkontrakt. Der Wind, der in der letzten Stunde stärker geworden war, wehte ihr seinen Geruch in die Nase, eine abstoßende Mischung aus Schweiß und dem stinkenden Fett, mit dem er sich zum Schutz gegen die Mücken eingeschmiert hatte.
    Sancta Maria, betete sie hastig im Stillen weiter. Mater Dei, ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae. Amen. Sie bekreuzigte sich und wollte von dem Felsen aufstehen, auf dem sie saß, doch der Schotte legte seine schwere Hand auf ihre Schulter.
    » Wo willst du denn hin, Püppchen? Wollten wir nicht zusammen ein bisschen beten?«
    » Lass sie in Ruhe, Mann.« Einer der Iren tauchte hinter dem Schotten auf. Sein Name war Ian. Wie Deirdre hatte er für die Dunmores gearbeitet. » Du siehst doch, dass sie kein Interesse an dir hat.«
    » Woher willst du das wissen, Grünschnabel?« Der Schotte baute sich angriffslustig vor dem jüngeren und deutlich schmächtigeren Iren auf.
    » Kein Streit!«, rief Akin herüber. Er erhob sich von dem liegenden Baumstamm, auf dem er gesessen hatte. Sein ebenholzdunkles Gesicht mit den vernarbten Wangen war ausdruckslos. Die mächtige nackte Brust glänzte im Licht der letzten Sonnenstrahlen. Seine Rechte lag auf dem Griff seiner Machete, mit der er, wie der Schotte schon selbst gesehen hatte, binnen Sekunden mehrere Männer töten konnte, egal welche Waffen diese trugen. Akin war schnell und wendig wie ein Raubtier und beherrschte im Umgang mit der Machete Tricks, die noch keiner hier gesehen hatte. Niemand wagte, ihm zu widersprechen. Wer ihm nicht länger gehorchen wollte, musste gehen, und zwar augenblicklich, sonst war er dem Tode geweiht, denn die Yoruba duldeten keine Abtrünnigen in ihren Reihen. Wer sich einmal ihrem Blutgott untergeordnet hatte, musste ihm folgen bis zum Tod.
    Der Schotte spuckte verächtlich aus, trat dann aber mit säuerlich verkniffener Miene zurück. Als er bemerkte, dass der alte Abass, der ein wenig abseits auf dem Boden hockte, ihn auf unergründliche Weise betrachtete, machte er trotzig und für alle sichtbar das Zeichen gegen den bösen Blick.
    Deirdre achtete absichtlich nicht weiter darauf, stattdessen lächelte sie Ian in dankbarer Erleichterung zu. Noch erleichterter war sie, als gleich darauf endlich Pater Edmond wiederauftauchte. Er merkte sofort, dass es Ärger gegeben hatte, und blickte besorgt von einem zum anderen, doch die Männer hatten sich bereits abgewandt. Sie flegelten sich rund um das Lagerfeuer, wo ein paar Stücke von dem

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