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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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rußfarbene Bögen lagen, den Spuckefaden, der aus dem Mundwinkel lief, während der Junge an den Fingern nuckelte. Heulend fuhr der Wind ums Haus, doch der Kleine schien es nicht zu bemerken. Ruhig lag er in Duncans Armen. Duncan atmete tief durch. Nur mit Mühe widerstand er dem Impuls, sein Kind besitzergreifend an sich zu pressen – womöglich hätte er Johnny damit Angst eingejagt. Er merkte, wie Elizabeth ihn beobachtete, und für einige Sekunden sahen sie einander an. Ihre Blicke tauschten eine stumme Botschaft aus, ein stillschweigendes Versprechen.
    Duncans Männer luden die Kisten auf den Einspänner, den er sich von Claire geborgt hatte. Er stand ziemlich tief in Claires Schuld, und er war sich dessen bewusst, auch ohne ihren lakonischen Hinweis. Immerhin hatte sie das nicht daran gehindert, ihm viel Glück für sein neues Leben zu wünschen, wo immer er dieses auch beginnen wolle.
    Mehrere scharfe Böen wehten Sand und kleinere Stücke Treibgut über die Mauer. Die Frauen hielten sich ihre Umhänge vors Gesicht, während sie die Ladefläche des Fuhrwerks bestiegen.
    Elizabeth nahm rasch den Jungen in Empfang und barg ihn unter dem Umhang, während die Männer Sturmlampen am Kutschbock befestigten.
    » Pearl!«, rief Elizabeth. » Wir müssen Pearl mitnehmen!«
    » Wir können sie bei diesem Wind nicht aufs Schiff bringen!«, rief Duncan. Doch Elizabeth verstand seine Worte nicht, es war zu laut. Einer der Fensterläden am Haus hatte sich gelöst und krachte ein ums andere Mal gegen die Hauswand. Unschlüssig blickte Duncan zum Stall. Aus dem Inneren drang Pearls Wiehern. Duncan sah Elizabeths flehenden Blick und gab nach. Er eilte hinüber, um die Stute zu holen. Sie würden sie einfach in Claires Stall unterstellen.
    Mittlerweile war es allerdings höchst fraglich, ob sie überhaupt noch zur Elise würden übersetzen können. Im matten Licht des frühen Morgens türmten sich die Wogen des Meeres fast so hoch wie die Palmen, die das Ufer säumten. Schäumend brachen sich die Wellen und durchpflügten den Strand so tief landeinwärts, dass die letzten Ausläufer den Pfad überspülten und die Räder des Fuhrwerks tief in den aufgeweichten Untergrund einsinken ließen.
    Sid saß neben Duncan auf der Kutschbank und lenkte das Fuhrwerk. Der zweite Mann ritt auf Pearl, und der dritte lief mit eingezogenem Kopf voraus. Umgeben von den schweren Reisekisten, drängten sich Elizabeth und Felicity auf der Ladefläche eng zusammen und beugten sich schützend über das Kind. Sie hatten alles eingepackt, nur das Virginal war zurückgeblieben, sehr zu Felicitys Leidwesen. Doch letztlich kam es auch ihr nur darauf an, endlich abzureisen. Wäre es nach ihr gegangen, so hätten sie schon vor Tagen, ja Wochen aufbrechen können, wie sie mit fester Stimme betont hatte. Sie schien mit mehr Mut und Entschlossenheit in die Zukunft zu blicken als Elizabeth, die immer wieder sorgenvoll übers Meer blickte – nicht ohne Grund. Wind und Wellengang waren zu stark, es war zu riskant, die Frauen und das Kind aufs Schiff zu bringen und auszulaufen.
    Widerstrebend begann Duncan sich mit einer Änderung seiner ursprünglichen Planung abzufinden. Sie würden vorerst auf der Insel bleiben müssen, bis der Sturm vorüber war. Und zwar bei Claire, ob es Elizabeth nun passte oder nicht. Er würde sie nicht mehr zu Harold Dunmores Haus zurückbringen.
    » Wie können wir bei diesem Sturm auslaufen?«, rief Elizabeth gegen das Brausen des Winds an.
    » Gar nicht«, schrie er zurück. » Wir müssen warten!«
    » Wo?«
    Sie sah an seinem Gesichtsausdruck, wie die Antwort lautete, doch zu seinem Erstaunen schien sie es sogar halbwegs erleichtert aufzunehmen. Eine Gruppe von vier Soldaten überholte das Fuhrwerk im Laufschritt, die Gesichter verzerrt vor Anstrengung und Angst. Das musste die Wache sein, die George Penn in der Bucht von Oistins aufgestellt hatte.
    » Die Rundköpfe sind auf der Insel!«, brüllte einer der Männer. Der Wind riss ihm die Worte von den Lippen, Duncan verstand nicht alles, aber er konnte sich den Rest problemlos zusammenreimen. » Mit Landungsbooten an den Strand gekommen! Wir haben Signalschüsse abgegeben, aber die hat bestimmt kein Mensch in der Garnison gehört! Sie haben sofort auf uns geschossen, während sie anrückten! Mehrere Hundert Mann, so wahr mir Gott helfe! Wir konnten gerade noch fliehen!«
    Der Soldat weinte beinahe; er war ein dürrer, höchstens siebzehnjähriger Bursche und brach fast unter der

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