Inseln im Wind
Sicherheit tot, darauf musste er einfach vertrauen. Das Schicksal hatte es bisher nur gut mit ihm gemeint. Es hatte ihm geholfen, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, vor allem William. Er war eine unberechenbare Größe gewesen in dem ganzen Spiel, denn er hatte Elizabeth für sich gewollt. Jetzt war er ausgeschaltet, womit der Weg endgültig bereitet war. Sie würde vernünftig sein und das tun, was für sie und das Kind am besten war. Es würde nicht lange dauern, bis sie begriff, dass Harold ihr ein guter Mann sein würde.
Und das wollte er wirklich, er hatte es sich geschworen. Er würde sie ehren und wertschätzen und ihr alle Gefälligkeiten erweisen, die ihr so wichtig waren. Ihretwegen würde er sogar aufhören, das Gesinde zu schlagen, denn er wusste genau, dass sie das hasste. Und sie würde ihm eine gute Frau sein. Eine richtige Frau, die ihn liebte. Nicht so gleichgültig und kalt wie Martha, die immer nur diesem Trottel Edward hinterhergetrauert hatte. Es war wirklich die beste Entscheidung gewesen, sie loszuwerden. Dass sie dabei wegen der Mengen an Laudanum, die sie geschluckt hatte, nicht mal richtig aufgewacht war, hatte es ihm leichter gemacht. Aber am besten daran war, dass jedermann Akin für den Mörder hielt, weil der sich zufällig später dort herumgetrieben hatte. Desgleichen würde alle Welt annehmen, dass auch die Noringhams von den Aufständischen umgebracht worden seien.
In sich hineinlachend, ritt Harold über den Küstenpfad in Richtung Bridgetown. Er beugte sich schützend über die Laterne und stemmte sich zugleich gegen den Sturmwind, der die Ärmel seines Hemdes wie Segel flattern ließ und ihm schließlich sogar den Hut vom Kopf fegte, um ihn auf Nimmerwiedersehen in die Dunkelheit wirbeln zu lassen. Das Brausen des Windes mischte sich mit dem Donnern der Brandung. Harold sog prüfend die Luft ein, lauschte den Elementen. Ob er noch auf Rainbow Falls Schutzmaßnahmen anordnen sollte, bevor der Orkan über die Insel hereinbrach? Nein, seine Leute dort würden schon allein klarkommen. Er wollte lieber nach Dunmore Hall zurückkehren. Zu ihr. Es war an der Zeit, seine Ansprüche auf sie geltend zu machen.
56
T ief geduckt auf dem Kutschbock hockend, fuhr Duncan mit dem Einspänner nach Dunmore Hall. Am östlichen Horizont zeigte sich der erste fahle Saum der Morgendämmerung, doch heute würde die Sonne nicht sichtbar werden. Der Wind wirbelte Gischt von den Wellenkämmen der nahen See hoch, die jagende Nässe traf Duncan von der Seite, mit brausenden, stoßartigen Böen, die seinen Zopf auflösten und ihm das offene Haar vor die Augen peitschten.
Vor dem Tor von Dunmore Hall stieg er ab und hämmerte dagegen, bis Sid ihm auftat. Unaufgefordert führte der Mann das Kutschpferd am Zügel in den Hof. Den Wallach, den Duncan hinten angebunden hatte, brachte er in den Stall. Elizabeth kam die Treppe heruntergeeilt, als Duncan die Halle betrat.
» Endlich!«, rief sie erleichtert.
Er zog sie in seine Arme, umschlang sie fest und küsste sie.
» Seid ihr mit Packen fertig?«
Sie nickte.
» Ja, schon längst.«
Er betrachtete sie prüfend.
» Hast du auch an das Gold gedacht? Du weißt, dass es dir gehört.«
Abermals nickte sie, diesmal mit abgewandtem Gesicht. Er wusste, dass sie deswegen ein schlechtes Gewissen hatte, obwohl es sich bei der Mitgift laut den Bestimmungen des Ehevertrags nach Roberts Tod um ihr alleiniges Eigentum handelte. Harold Dunmore stand kein Penny davon zu. Flüchtig erwog Duncan, mit ihr über seinen Verdacht zu sprechen, entschied sich dann aber dagegen, denn er wollte sie nicht noch mehr beunruhigen. Es war besser, wenn sie manches gar nicht erst erfuhr, das ihr nachhaltig den Seelenfrieden geraubt hätte, um den es ohnehin schon nicht gut bestellt war. Felicity kam mit dem Kleinen in die Halle. Der Junge blickte Duncan mit großen Augen an.
» Ssiff?«, fragte er. » Kap’tän?«
» Ganz recht, mein Sohn. Du kommst mit auf mein Schiff, und wir fahren übers Meer.« Er streckte die Arme aus. » Gib ihn mir.«
Felicity zögerte nur kurz, bevor sie ihm das Kind überließ. Zum ersten Mal hielt Duncan seinen Sohn auf dem Arm. Johnny versteifte sich zunächst, doch dann legte er das Köpfchen an Duncans Brust und machte es sich in seiner Armbeuge bequem. Der Kleine war überraschend leicht, er wog fast nichts. Duncan blickte in das verschlafene kleine Gesicht, sah die zerzausten Löckchen und die runden Wangen, auf denen die Wimpern wie
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