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Inseln im Wind

Inseln im Wind

Titel: Inseln im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Santiago
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gelüftet hatte: Roberts sonst nie versiegende Brunst kühlte sich sofort ab, wenn das Gespräch auf seine Mutter kam. Eine Information, die Claire im Geiste sorgfältig zu den vielen anderen legte, die sie schon gesammelt hatte. Man wusste nie, wie man solches Wissen noch brauchen konnte.
    So wie dasjenige über Elizabeth Dunmore und Duncan Haynes. Er hatte ihr persönlich an Bord der Elise geholfen und ihr formvollendet die Hand geküsst, wie es einer hochgestellten Dame geziemte, und da Claire sich zu diesem Zeitpunkt bereits an Deck befunden hatte, konnte sie auch die Worte hören, die sie miteinander wechselten.
    » Es ist mir eine Freude, Euch abermals behilflich sein zu dürfen«, hatte Duncan höflich zu Elizabeth gesagt, während er sie von der Strickleiter an Deck zog.
    Doch warum war sie bei seinen Worten dunkelrot angelaufen und so hastig zur Seite gewichen, als müsse sie ihm entfliehen?
    Hinter ihr war Robert an Bord geklettert, auch er nicht unbedingt erfreut, den Kapitän zu sehen.
    » Master Haynes«, hatte er mit grämlicher Miene und knappem Nicken gemeint.
    Auch hierüber hatte Claire ihn später ausgefragt. » Du kennst diesen Freibeuter?«, hatte sie wissen wollen.
    » Was man so kennen nennt. Er ist ein Schurke und Halsabschneider. Bringt ehrliche Handelsfahrer auf, raubt sie aus und steckt sich Reichtümer in die Tasche.«
    » Aber er beraubt doch wohl nur die Spanier und Franzosen, oder?«
    » Weiß man’s? Wenn sie erst auf dem Grund des Meeres verrotten, kann keiner mehr was anderes behaupten.«
    Der wirkliche Grund seiner Abneigung rührte indessen wohl daher, dass Duncan Haynes ein unverzichtbarer Handelspartner der Pflanzer von Barbados war, seine Geschäftsmethoden aber nicht immer auf Gegenliebe stießen, insbesondere nicht die Höhe seiner Beteiligungen. Einen erklecklichen Teil seiner Einkünfte erzielte er, indem er Zucker oder Tabak nach England beförderte. Da die Pflanzer auf Barbados infolge ihrer rasch wachsenden Anbauflächen zwar massenweise Zucker erzeugten, aber wegen der Lage der Insel am äußeren Rande der Antillen nicht immer genügend Frachtschiffe erwarten konnten, waren sie auf jede sich bietende Gelegenheit angewiesen, ihre Vorräte loszuschlagen.
    » Zahlt Haynes denn nicht genug für euren Zucker?«, hatte Claire von Robert wissen wollen.
    » Er zahlt überhaupt nichts dafür. Er lässt sich bezahlen, und zwar fürstlich. Die Holländer hingegen bringen eine Menge ordentlicher Waren aus Europa und tauschen sie auf Barbados gegen unseren Zucker ein, da haben wir sofort einen reellen Gegenwert. Aber dieser geldgierige Freibeuter saugt uns den letzten Blutstropfen aus mit seinen dubiosen Handelsmethoden. Er nimmt den Zucker mit und lässt dafür nichts da. Gar nichts«, betonte Robert.
    » Wieso handelt ihr dann mit ihm, wenn ihr keinen Sou dafür kriegt?«, fragte Claire zweifelnd.
    Sie erfuhr, dass Haynes den Zucker auf Kommission entgegennahm und auf eigene Rechnung in London verkaufte. Von dem erzielten Gewinn behielt er einen – nach Roberts Bekunden unerhört hohen – Anteil für sich selbst. Einen weiteren Teil setzte er in Gold und Silber um, das er entweder den Londoner Gewährsmännern der Pflanzer oder – bei seiner nächsten Ankunft auf Barbados – diesen selbst aushändigte. Vom Rest kaufte er in England Waren, die er nach Barbados brachte.
    Auf Claires Frage, welche Waren er meinte, kam heraus, dass es von den Pflanzern gezielt bestellte Güter waren, mit denen die Holländer nicht handelten. Sei es, weil sie sich schlecht beschaffen ließen, sei es, weil ihr Transport zu umständlich war. Das konnten Gemälde und Kunstgegenstände sein oder auch edler Schmuck, wertvolle Gläser, Lampen, seltene Stoffe und Spitzen, Möbelstücke, Bücher und dergleichen mehr. Sogar zwei Rassepferde hatte Haynes schon transportiert, weshalb er auch ohne zu zögern einen Teil des Laderaums für die Stute von Roberts Frau zur Verfügung gestellt hatte – gegen einen saftigen Aufpreis natürlich. Kurzum, er sorgte für alles, was das Leben luxuriöser und angenehmer machte, während die Holländer eher die Beschaffung der alltäglichen Nutzgüter übernahmen, etwa Tuche, Wolle, Leder, Hölzer, Ziegel, Werkzeuge und Teer, Fleisch in Form von Schlacht- und Zuchtvieh, Getreide, Salz, Wein, Bohnen.
    Eher widerstrebend gab Robert zu, dass Haynes stets zuverlässig und vollständig lieferte. Noch nie hatte er eine Ladung verloren, weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg.

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