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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Klingeln des Handys unterbrochen. Es war Doro, die offenbar Sehnsucht nach mir hatte.
    »Weißt du, wie sehr ich dich um deine Auszeit beneide?«, plapperte sie drauflos, kaum dass ich »Hallo« gesagt hatte. »Heute war mal wieder einer dieser Tage, wo ich mich dafür verfluche, dass ich Kinder habe und verheiratet bin. Warum hast du mich nur damals nicht von dieser Irrsinnsidee abgehalten? Warum sind wir drei nicht einfach losgezogen, um die Welt zu erobern, so wie wir es uns als junge Mädchen auf der Abi-Feier geschworen haben?«
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich neugierig, konnte mir die Antwort aber im Grunde schon denken. Entweder hatte Emma, Doros sechsjährige Tochter, oder ihr neunjähriger Bruder Nils Mist gebaut.
    »Emma hat sich heute Morgen in den Kopf gesetzt, für uns alle Frühstück zu machen, und bat Nils, ihr zu helfen. An sich ja eine sehr süße Idee, aber das Ergebnis ist ein verschmorter Toaster, eine zerbrochene Vase und ein Fußboden voller Waffelteig. Und Thomas hat es vorgezogen, in die Kanzlei zu gehen, wo er angeblich noch sooooo viel zu erledigen hat, obwohl heute Samstag ist, anstatt mich bei der Renovierung der Küche zu unterstützen!« Doro sagte all dies in einem derart anklagenden Tonfall, dass ich mir ein Kichern verkneifen musste.
    Während sie sich weiter in Rage redete und ziemlich über ihren Mann schimpfte, wanderten meine Gedanken zu Doro, wie sie mit Mitte zwanzig gewesen war, als weder Thomas noch die beiden Kinder in ihrem Leben eine Rolle spielten. Was war aus der einst so lebenslustigen, humorvollen jungen Frau geworden, die so schnell nichts umhaute?
    Wann war ihr der Sinn für Situationskomik abhandengekommen und ihr Nervenkostüm so dünn geworden?
    »Das sind die verdammten Hormone«, hatte Helen einmal gesagt.
    »Hallo, hörst du mir überhaupt zu?«, drang eine unangenehm hohe Stimme an mein Ohr – Doro war offenbar wirklich am Ende mit ihren Nerven.
    »Doch, natürlich. Aber ich habe das Gefühl, dass du dir Luft machen willst, ohne unterbrochen zu werden. Also, ist in der Küche wieder alles im grünen Bereich? Konntest du Thomas überzeugen, dass euer gemeinsames Zuhause kein Schrottplatz ist und er sich nicht länger in der Kanzlei verstecken muss?«
    Mit einem Mal begann Doro zu weinen.
    Auch das geschah in letzter Zeit immer öfter.
    Doro, die sich früher über alle amüsiert hatte, die ihren Tränen freien Lauf ließen, und noch nicht einmal bei
Titanic
heulen musste.
    »Ich glaube, er hat eine Affäre«, schluchzte sie. Ihr Verdacht traf mich wie ein Hammerschlag.
    Thomas, ein Fremdgeher? Niemals!
    »Aber wie kommst du denn nur auf diese Idee?«, versuchte ich sie mit sanfter Stimme zu beruhigen.
    Mist, warum war ich gerade so weit weg?
    Wie konnte man jemanden übers Telefon umarmen?
    »Ich weiß, dass das total nach Klischee klingt, aber er arbeitet fast nur noch, ist mir gegenüber desinteressiert, er hört kaum noch zu, hat keine Lust, mit den Kindern zu spielen, meckert an allem herum …«
    Ich atmete tief ein und aus, während meine Gedanken sich überschlugen. Diese
Symptome
klangen zwar wirklich nach einer Affäre, aber es konnte sich genauso gut um einen akuten Anfall von Midlifecrisis handeln, immerhin war Thomas Anfang fünfzig.
    »Hast du denn schon versucht, mit ihm darüber zu reden?«, begann ich vorsichtig nachzufühlen. »Und seit wann geht das überhaupt? Ich höre heute zum ersten Mal davon.«
    Doro putzte sich die Nase, bevor sie antwortete:
    »Seit beinahe einem Jahr. Ich wollte euch nichts davon sagen, weil ich dachte, das sei nur eine Phase, die irgendwann vorübergeht. Als du erzählt hast, wie sehr du dich zu Hause wie ein Fremdkörper fühlst, seit du dich in Vincent verknallt und das Gefühl hast, im falschen Film zu sein, fiel mir die Parallele auf.«
    Mein Herz begann zu klopfen.
    Was, wenn an Doros Vermutung doch etwas dran war?
    »Bitte versuche, dich ein wenig zu beruhigen und nicht gleich vom Schlimmsten auszugehen. Vielleicht hat Thomas nur den ewigen Alltagstrott satt, genau wie wir alle ab und zu. Es dauert doch nicht mehr lange, dann habt ihr Urlaub und könnt endlich mal in Ruhe reden. Tapetenwechsel tut gut, das merke ich doch auch gerade. Wenn ihr erst mal in eurem Ferienhäuschen an der Schlei seid, wird sich alles aufklären, das verspreche ich dir.«
    »Kann ich nicht für ein paar Tage zu dir kommen?«, fragte Doro mit leiser, gebrochener Stimme.
    »An sich gern, aber ich wohne hier privat, nicht in

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