Inselsommer
Beziehung.«
»Darauf trinke ich gern«, sagte ich und umarmte Nele, die nun sichtlich gerührt war. Hinter ihrer eher schnoddrigen Fassade steckte ein hochsensibler Mensch, was auch in ihren Bildern deutlich zum Ausdruck kam.
»Ich wünsche dir viel künstlerische Inspiration und werde meinen Teil dazu beitragen, dass sich deine Arbeiten verkaufen wie geschnitten Brot. Jule hat mir gerade gestern gemailt, dass nun auch dein letztes Bild einen Käufer gefunden hat. Ein sensationelles Ergebnis, wenn ich bedenke, wie die meisten zurzeit ihr Geld zusammenhalten, anstatt es für Kunst auszugeben.«
Nun begann Nele zu strahlen.
»Ehrlich? Das ist ja grandios! Dann habe ich auf alle Fälle genug Geld, um dieses rauschende Fest hier zu bezahlen. Und übrigens habe ich Jule und Vincent ebenfalls eingeladen. Das ist doch okay, Paula, nicht wahr?«
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.
Vincent würde morgen Abend hier sein?!
Ich versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren und mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen.
»Solange sie die Galerie nicht frühzeitig schließen, soll es mir recht sein«, entgegnete ich und hoffte, dass die beiden nicht merkten, wie sehr meine Stimme zitterte und mein Gesicht glühte, als hätte ich gerade zu heiß gebadet.
Nele lachte.
»Keine Sorge, beide bleiben ganz brav bis zum Schluss. Ist ja nicht schlimm, wenn sie etwas später zu meinem Fest erscheinen, Hauptsache, sie kommen. Denn auch sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Vernissage für mich so ein großer Erfolg war.«
»Je mehr Gäste da sind, die dir etwas bedeuten, desto besser.« Larissa lächelte. »Auf dein Wohl, auch wenn ich dich schrecklich vermissen werde. Dummerweise beherrsche ich die Kunst des Loslassens überhaupt nicht, auch nicht nach
Eat, Pray, Love …
«
Ich leider auch nicht,
dachte ich und verspürte mit einem Mal das dringende Bedürfnis nach frischer Luft – oder Büchern.
»Falls ihr mich sucht, ich bin kurz nebenan. Mein Roman ist leider schon zu Ende, und ich würde gern zur Abwechslung mal ein Jugendbuch lesen. Außerdem gibt es doch nichts Schöneres, als nach Ladenschluss in einer Buchhandlung zu stöbern. Davon habe ich schon als Kind geträumt.«
Larissa und Nele nickten verständnisvoll, und ich ging in den hintersten Teil des Büchernests, um ein wenig durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Im Halbdunkel der Kinderbuchabteilung ließ ich meine Hand über die zahllosen Buchrücken in den Holzregalen gleiten. Unendlich viele Texte, gedruckt auf unendlich vielen Seiten. Unendlich viel Fantasie, Magie, Witz und Humor.
Hier findest du nur bedingt Antworten auf deine Fragen,
schienen die Bücher mir zu meinem Erstaunen zuzuflüstern.
Du musst tiefer in deinem Herzen suchen.
Irritiert wich ich einen Schritt zurück und ließ mich auf einen Sitzsack fallen, in dem ich augenblicklich zu versinken drohte. Dann erinnerte ich mich daran, wie ich vor kurzem mit Vincent und Lilly in die Buchhandlung neben der Galerie gegangen war. Zusammen mit Lilly hatte ich in den bunten Seiten geblättert und ihr einige Passagen aus den Büchern vorgelesen, die sie besonders begeisterten, während ihr Vater nach Künstlerbiographien für die nächste Ausstellung suchte.
Wie gern hätte ich so etwas mit meiner eigenen Tochter gemacht!
»Alles in Ordnung mit dir, Paula?« Larissas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen und sprang mit klopfendem Herzen auf. »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Aber du warst so lange weg, und ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe. Wie du weißt, ist es mein Beruf, gute Bücher zu empfehlen.«
»Danke, alles gut. Vielleicht schaue ich mich lieber morgen um. Wir sind heute Abend doch hier, um zu feiern, und nicht, damit ich meine Buchbestände aufstocke.«
Zurück im Café, sah ich, wie Nele gedankenverloren kleine Kugeln aus Kerzenwachs formte und ziemlich unglücklich aussah.
»Glaubt ja nicht, dass es mir leichtfällt, die Insel zu verlassen. Ich heule jetzt schon bei dem Gedanken, dass ich an Weihnachten nicht hier bin, und auch nicht beim Biikebrennen mit meinem heißgeliebten Grünkohlessen. In Mexiko veranstaltet kein Mensch das verrückte Neujahrsbaden, weil das Wasser viel zu warm für eine solche Mutprobe ist. Außerdem werden mir Veros leckeres Essen fehlen und die durchgeknallten Snobs, die meinen, ihnen gehört die Insel.«
»Du kannst doch jederzeit zurückkommen, wenn du Sehnsucht nach uns verspürst. Bea freut sich, wenn du
Weitere Kostenlose Bücher