Inselsommer
sich nur jedes zweite Wochenende sehen.
Was würde denn dagegen sprechen, euch eine Weile zu trennen, damit ihr euch darüber klarwerdet, ob ihr noch eine Beziehung führen oder vielleicht eher nur befreundet sein wollt.«
»Du meinst so etwas wie eine Trennung auf Probe?«, fragte ich und verschluckte mich beinahe an meinem letzten Bissen. »Glaubst du wirklich, dass so etwas funktioniert?«
Wie Patrick wohl auf einen solchen Vorschlag reagieren würde?
»Natürlich kann ich dir nicht sagen, ob es was bringt, aber seit Wochen quälst du dich nun schon mit einem schlechten Gewissen herum. Für mein Gefühl geht es weniger darum, ob du mit Vincent zusammenkommst oder nicht, sondern darum, herauszufinden, wer du bist und was du willst. Und vor allem, endlich zu klären, ob du auf Dauer mit deinem unerfüllten Kinderwunsch klarkommst. Hey, wir sind nicht mehr so jung. Wenn wir etwas ändern wollen, dann doch am besten jetzt, oder nicht?«
Auf einmal betrachtete ich Doro mit anderen Augen. Plötzlich saß wieder die Zwanzigjährige vor mir, die sich unsere Zukunft in leuchtenden Farben ausmalte. Die Doro, die den Süden liebte und die ich mir wunderbar als Besitzerin einer Hotel-Finca in Spanien oder als Weinbäuerin in Südfrankreich vorstellen konnte. Sie beherrschte Spanisch und Französisch, reiste für ihr Leben gern und konnte sowohl fantastisch kochen als auch organisieren. Sie war offen, kommunikativ und hatte ein großes Herz!
»Was würdest du denn tun, wenn dein Verdacht sich bestätigt, dass Thomas eine andere hat?«, wechselte ich das Thema. Schließlich war ich nicht die Einzige, die Kummer hatte, und ich wollte Doro so gern helfen.
»Dann würde ich ihm eine runterhauen, das gemeinsame Konto plündern und mit den Kindern wegziehen. Am liebsten ans Meer.«
»Aber wärst du nicht verletzt, würdest dich herabgesetzt fühlen oder hättest Angst vor der Einsamkeit?«
Schon die bloße Vorstellung, Patrick eröffnete mir eines Tages, dass er sich neu verliebt habe, durchfuhr mich wie ein Messerstich. »Und du hast geweint, als wir gestern telefoniert haben. So cool steckst du das doch garantiert nicht weg …«
»Nein, natürlich nicht, ich bin ja kein Gefrierschrank. Aber ich habe auf der Fahrt darüber nachgedacht und mich gefragt, ob
ich
glücklich mit Thomas bin. Von daher kann ich dich bestens verstehen. Selbstverständlich nutzen sich Gefühle im Laufe der Jahre ab. Der Alltag killt uns alle irgendwann, und wir müssen unsere Idealvorstellungen begraben. Aber andererseits sind wir noch nicht hundert, und das Leben bietet noch so viele Möglichkeiten. Schau dir Helen an. Sie hat sich bewusst für ein Leben als Single entschieden, weil sie keine Familie gründen will und auch nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen, wie sie nun mal in jeder Partnerschaft nötig sind.«
Ich dachte über Doros Worte nach. Dass ausgerechnet Helen Anwältin für Familienrecht geworden war, erschien mir immer noch absurd. Andererseits aber auch wieder nicht.
So hatte sie vermutlich die nötige Distanz, um die Dinge richtig einzuordnen und entsprechend fair zu handeln.
»Oh, mein Gott, mir dröhnt allmählich der Schädel«, entgegnete ich. Das Gespräch strengte mich zunehmend an.
Wegen der Begegnung mit Vincent hatte ich kaum geschlafen. »Was hältst du davon, wenn wir uns beide einen Moment hinlegen und später noch am Meer spazieren gehen?«
»Einverstanden«, sagte Doro lächelnd und gab mir einen spielerischen Kuss auf die Nasenspitze.
11 . Kapitel
O h, mein Gott! Das ist ja noch durchgeknallter, als ich es mir vorgestellt habe«, rief Doro aus, als wir an der Bushaltestelle in Kampen ausstiegen und uns umsahen. In den schnuckeligen, weißgetünchten Reethäusern reihte sich ein Designer an den anderen. Vor den Häuschen flatterten bedruckte Fahnen mit den jeweiligen Markennamen im Nordwind. Am Straßenrand parkten ausschließlich Autos der Nobelklasse. Allesamt top gepflegt, der Lack glänzte.
»Bitte entschuldige mich kurz, ich muss mal eben eine Runde träumen gehen.« Ich schmunzelte, weil Doro zur Auslage eines Juweliers stürzte und sich an der Schaufensterscheibe die Nase plattdrückte. Es funkelte und glitzerte, doch der bloße Anblick der Ziffern auf den Preisschildern trieb mir bereits den Schweiß auf die Stirn.
»Zu schade, dass die nicht von Swarowski sind«, seufzte Doro und bestaunte sehnsuchtsvoll Ringe, Ketten, Broschen und Uhren. Ich selbst war kein großer Freund von echtem Schmuck und
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