Inselzauber
antworte ich, und wir prosten uns mit einem Glas Grünen Veltliner zu.
»Wie läuft es mit eurer Finanzierung? Hoffentlich besser als die Suche nach einem Ersatz für Frau Stade?«, erkundigt sich die Freundin meiner Tante, und ich denke voller Wut an Stefan.
Bea erzählt daraufhin, dass sie auf einen Termin im Rathaus warte, und lehnt Veros erneutes Angebot ab, den Hof als Sicherheit einzubringen.
»Schlag dir das ein für alle Mal aus dem Kopf«, rufe ich energisch und stelle die Dessertschüsseln mit lautem Krachen auf ein Tablett auf der Anrichte.
Timo hebt irritiert den Kopf, um sich jedoch Sekunden später wieder genüsslich in den Schlaf sinken zu lassen.
»Kein Mensch wird hier irgendetwas beleihen oder verpfänden müssen. Ihr bekommt das Geld, das euch fehlt, und zwar bald.« Triumphierend blicke ich in die verwunderten Gesichter meiner Tante und ihrer Freundin. »Das heißt, Nele und du bekommt das Geld, sobald Stefan, dieser grenzenlose Egoist, seine Schulden an mich zurückgezahlt hat. Was hoffentlich bald der Fall sein wird.«
»Du willst wirklich …«, antwortet Bea leicht stockend, als ihr klar wird, wovon ich spreche, und sieht mich streng an. »Soll das heißen, dass du das Erbe deiner Eltern in das Büchernest stecken willst? Obwohl du gar nicht selbst dort arbeiten wirst? Habe ich dich da richtig verstanden?«, hakt sie nach.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ihr diese Lösung nicht behagt. »Ja, das hast du richtig verstanden«, antworte ich trotzig und schenke Wein nach. »Ich finde, es ist an der Zeit, mit diesem Geld etwas Sinnvolleres anzufangen, als Stefan und Melanie ein komfortables Luxusleben zu finanzieren. Die Praxis läuft gut, er hat andere Partner mit im Boot. Nenn mir also einen Grund, weshalb ich mein Geld jetzt nicht von ihm zurückfordern sollte.«
Für einen Moment herrscht Stille im Raum.
»Wenn du es so siehst«, fährt meine Tante einen Moment später fort, »hast du natürlich recht. Ich habe mich sowieso schon gewundert, dass du die Summe nicht sofort nach eurer Trennung zurückhaben wolltest. Aber ich kenne auch deine Gutmütigkeit, deshalb habe ich nichts dazu gesagt. Jetzt muss ich dir allerdings widersprechen. Du solltest das Erbe für dich selbst verwenden und nicht schon wieder für die Pläne von anderen. Wer weiß? Vielleicht entschließt du dich, in Italien zu bleiben, und möchtest dir dort etwas aufbauen. Dir ein Apartment am Meer gönnen oder eine kleine Eigentumswohnung in Mailand. Es gibt so viel, wofür du den Betrag brauchen könntest. Nele und ich schaffen das auch so, mach dir um uns mal keine Sorgen.«
Vero nickt zustimmend, während Bea immer mehr in Fahrt gerät. »Ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es wieder: Dies hier ist kein Notfall, es steht keine Existenz auf dem Spiel. Wenn dem so wäre, würde ich dein Angebot vielleicht annehmen, aber so?«
»Natürlich steht eine Existenz auf dem Spiel«, widerspreche ich meiner Tante. »Und zwar die von Nele. Wie kannst du nur so etwas sagen?«
Wie aufs Stichwort läutet das Telefon, und nach einem kurzen Gespräch kehrt Bea zurück und teilt uns mit, dass bei Nele offensichtlich eine Katastrophe passiert ist und sie sich auf dem Weg zu uns befindet.
»Da siehst du mal«, kommentiere ich den Anruf, während ich mir Sorgen um meine Freundin mache. »Offensichtlich ist Nele mal wieder in Schwierigkeiten, und zwar in finanziellen, wie ich sie kenne.«
»Kind …«, entgegnet Bea.
Auf einmal sträuben sich mir alle Nackenhaare, denn ich fühle mich mittlerweile zu alt, um mich noch »Kind« nennen zu lassen. So süß das auch klingen mag.
»Es ist wirklich rührend von dir, wenn du deiner Freundin helfen willst, und ich verstehe dich auch ein Stück weit. Aber überleg doch mal. Du kennst Nele seit einem halben Jahr. Du magst sie, und du möchtest sie unterstützen. Das möchte ich auch. Trotzdem ist es an der Zeit, dass du dich endlich mal um dich selbst kümmerst. Immerhin bist du diejenige von uns, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Ich selbst weiß es und deine Freundin Nele im Grunde auch, denn trotz ihrer kleinen psychischen Einbrüche ist sie ein Stehaufmännchen und hat sogar einen ersten Erfolg mit ihren Kinderbuchillustrationen. Was auch immer mit dem Möwennest passiert – Nele wird ihren Weg gehen. Auch ohne dich und deine Hilfe. Deine Freundin ist eine sehr unabhängige Frau. Ich als deine Tante hätte gern, dass du ein Stück weit mehr auf dich achtest
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