Inselzauber
sich hier doch alle untereinander. Es spricht sich bestimmt in null Komma nichts herum, dass ich noch Schulden bei ihm habe. Du kennst die Sylter – die stecken alle unter einer Decke!«
Bea steht auf und geht im Wohnzimmer auf und ab, während ich fieberhaft überlege, wie ich meiner Freundin aus der Patsche helfen kann. Wenn Stefan doch nur endlich das Geld überweisen würde! Mit der Differenz von zwanzigtausend Euro, die ich als Reserve eingeplant habe, könnte ich Nele locker einen Kredit geben.
»Dann werde ich wohl in der kommenden Woche Knuts altes Zimmer und seine Werkstatt im Garten entrümpeln«, sagt Bea, und drei Augenpaare sehen sie verwundert an. Soll das etwa heißen, dass Nele hier im Kapitänshaus einziehen soll? »Bis Ende der Woche müsste das zu schaffen sein, wenn wir alle mithelfen. Vielleicht packen noch Ole und seine Kumpane mit an. Die können uns bestimmt auch mit einem größeren Wagen für den Umzug aushelfen. Knuts Zimmer ist sowieso viel zu schön, um ewig leer zu stehen, und die Werkstatt gibt bestimmt ein schönes Atelier her.«
Für einen Moment bin ich sprachlos, und auch Nele sieht so aus, als könne sie nicht glauben, was meine Tante da eben gesagt hat. Dann fallen wir beide Bea nacheinander um den Hals, während Vero verspricht, für den Umzugstag einen Topf Chili con Carne zu kochen.
Am folgenden Nachmittag sitzen meine Tante und ich in der Kanzlei eines Anwalts, den Bea kennt. Ich schildere Christian Weber kurz die Sachlage und hoffe, dass er uns helfen kann.
»Haben Sie denn eine schriftliche Vereinbarung mit Herrn Stefan Koch?«, erkundigt sich der Anwalt.
Für einen Moment rutscht mir das Herz in die Hose. »Nein, habe ich nicht«, antworte ich kleinlaut, denn natürlich habe ich Stefan das Geld aus Liebe gegeben. Und Liebe bedarf meines Erachtens keiner Unterschriften und keines Vertrags.
»Hmmm«, kommentiert Christian Weber meine Aussage, und ich warte ängstlich darauf, was als Nächstes kommt. »Das ist natürlich keine besonders günstige juristische Voraussetzung. Aber zunächst gehe ich einmal davon aus, dass Ihr Ex-Freund so viel Ehrgefühl besitzt, dass er nicht abstreitet, die Praxis mit Hilfe Ihres Geldes finanziert zu haben.«
Ich versuche mir durch eifriges Nicken selbst Mut zu machen, während Bea nervös an ihrer Jacke nestelt.
»Was halten Sie davon, wenn ich Herrn Koch einmal anrufe, bevor ich den schriftlichen Weg wähle? Vielleicht kann ich mit ihm reden – sozusagen von Geschäftsmann zu Geschäftsmann. Sollte ich ihn nicht zur Zahlung bewegen können, müssen wir allerdings einen Nachweis erbringen, dass es Ihr Geld ist, das in seiner Praxis steckt. Vielleicht können Sie sich parallel zu meinen Bemühungen schon mal Gedanken darüber machen, was Sie als Beweis anführen könnten. Nur für den Fall, dass es zum Äußersten kommt.«
Ich stimme Herrn Weber zu und gebe ihm sämtliche Telefonnummern von Stefan.
»Kopf hoch, das bekommen wir schon hin«, ermutigt er uns und hält uns die Tür auf, als Bea und ich die Kanzlei verlassen.
»Das kann ja heiter werden«, stöhne ich, als wir später in einem Café in Westerlands Friedrichstraße sitzen und uns beratschlagen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich das beweisen soll, wenn es hart auf hart kommt. Ich bin nun mal kein misstrauischer Mensch, und ich konnte doch nicht ahnen, dass mir so etwas passiert«, sage ich und versuche, mich wenigstens von der herben Süße meines Eiskaffees trösten zu lassen.
»Mach dir keine Sorgen«, antwortet Bea und rührt nachdenklich in ihrem Cappuccino. »Lass mich überlegen. Ich habe damals immerhin auch einiges mitbekommen und bin mir sicher, dass mir etwas einfällt, das wir als Beweis ins Feld führen können. Wir bekommen das Geld schon, da gebe ich Christian Weber recht. Aber um mal das Thema zu wechseln: Wann möchtest du Nele eigentlich von deinen Plänen erzählen?«
»Ich sage es ihr erst, wenn alles hieb- und stichfest ist und wenn wir ihren Umzug über die Bühne gebracht haben. Stell dir nur mal vor, ich mache ihr Hoffnungen, und dann klappt es doch nicht«, antworte ich und lecke mir die Reste des Eiskaffees von den Lippen. »Ich will nicht, dass sie sich vergeblich auf etwas freut, was dann gar nicht eintritt. Allmählich brennt die Finanzierung wirklich unter den Nägeln – lange darf sich das mit Stefan nicht mehr hinziehen.«
Die Woche vergeht in Windeseile, weil wir Neles Umzug organisieren, gemeinsam Knuts Zimmer und die
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