Inselzauber
dich gut mit Nele, und deine Tante freut sich über deine Gesellschaft. Jetzt willst du auch noch dein Erbe investieren und dann gar nicht daran teilhaben, was aus deiner Idee wird? Irgendwie ist es manchmal sehr schwer, dich zu verstehen, Lissy«, sagt er und seufzt.
»Ich weiß, dass das für einen Außenstehenden seltsam wirkt«, entgegne ich und rühre in meiner Teetasse. »Aber momentan zieht es mich eben hinaus in die Welt. Sylt läuft mir nicht weg. Vielleicht habe ich nach einem Jahr die Nase voll von der ewigen Sonne, der Pasta, dem Eis und den Italienern. Ich meine, wer mag schon die ganze Zeit Dolce Vita, wenn er hier schlechtes Wetter, Labskaus und Friesen mit Dickschädel haben kann?«, versuche ich durch einen Witz darüber hinwegzutäuschen, dass es mir selbst schwerfällt, an meinem Entschluss festzuhalten.
Leon hat natürlich in allem, was er sagt, recht. »Ich sehe schon, ich kann dich nicht überzeugen«, antwortet er und sieht aus dem Fenster. »An Tagen wie diesem kann ich dich auch absolut verstehen. Dann sehne ich mich ebenfalls nach Sonne, Wassertemperaturen über fünfundzwanzig Grad und Landschaften wie der Toskana oder der Provence. Aber ich tröste mich immer damit, dass ich auf diese Weise wenigstens schöne Urlaubsziele habe und dort nicht arbeiten muss. Was hast du schon von der Mailänder Sonne, wenn du den ganzen Tag Pressearbeit für ein Hotel machen musst?«
»Ich arbeite einfach auf der Hotelterrasse«, antworte ich und versuche mir vorzustellen, wie ich unter dem Schutz einer Markise sitze, anstatt in einem schlecht beheizten Büro zu frösteln. »Wozu gibt es schließlich Handys, Laptops und BlackBerrys?«
»Schon gut, ich verstehe – ich habe wirklich keine Chance, dich umzustimmen. Es ist nur so, dass du mir fehlen wirst, Lissy«, sagt Leon und streichelt für einen kurzen Moment meine Hand.
»Du wirst mir auch fehlen«, antworte ich leise, während die Kellnerin unsere leeren Tassen abräumt. »Aber wie es aussieht, hast du gestern eine alte Freundschaft mit einer wirklich hübschen Frau wiederaufleben lassen. Tröstet dich das nicht?« Noch während ich den Satz sage, ärgere ich mich über mich selbst. Ich war so froh, den vergangenen Abend nicht thematisieren zu müssen, und nun liefere ich selbst eine Steilvorlage!
»Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«, fragt Leon amüsiert. »Lass uns gehen, bevor wir hier noch anfangen, Trübsal zu blasen. Sieh nur, die Sonne kommt raus, ich schätze mal, dass wir es halbwegs trocken nach Keitum schaffen werden.«
Timo und ich folgen ihm, und ich überlege, weshalb Leon nicht auf meine Bemerkung eingegangen ist.
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Kapitel 17
W ie war es in Mailand?«, fragt Nele mich mit leuchtenden Augen, als ich nach der Rückkehr von meinem Vorstellungsgespräch mit ihr im Möwennest sitze.
»Toll«, antworte ich und blicke versonnen auf die ochsenblutfarbene Wand des Cafés, die ich von nun an immer mehr mit meinem Traumland assoziieren werde. Toll ist gar kein Ausdruck.
»Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Lissy. Ich will ALLES wissen. Wie war der Flug? Wie ist Mailand? Wie war der Abend mit Marco?«
Beim Gedanken an die Zeit mit Marco muss ich lächeln. Traumhafter kann man seinen Aufenthalt in dieser Stadt vermutlich nicht gestalten. Marco hat mich nach meinem Gespräch im Hotel D’Angelo abgeholt und ist zu Fuß mit mir durch die Innenstadt spaziert. Wir haben zuerst den Dom besichtigt – schließlich ist das ein absolutes MUSS , wenn man in dieser Stadt ist – und waren danach Eis essen. Das Wetter war traumhaft, und ich habe es sehr genossen, mit diesem charmanten Mann in aller Ruhe auf einer Piazza zu sitzen und die Mailänder zu beobachten.
Gerade im Kontrast zu den friesischen Bewohnern Sylts war es ein Erlebnis, den vielen attraktiven Menschen dabei zuzusehen, wie sie auf der Piazza ihren Espresso genommen, die
Gazetta dello Sport
gelesen und sich wild gestikulierend über den Leitartikel unterhalten haben. Oder wie sie, bepackt mit zahlreichen Einkaufstüten, den Platz überquert haben, um wieder in ihre klimatisierten Büros zurückzukehren. Den Männern schienen die Handys förmlich am Ohr zu kleben, und die Mailänderinnen stöckelten auf derart hohen Absätzen umher, dass mir beim bloßen Anblick schier die Luft wegblieb.
Nach einem Besuch in der Mailänder Scala (Karten für die Oper sind wirklich schwer zu bekommen, doch Marco ist dieses Kunststück gelungen) waren wir in einem
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