Inselzauber
abzulenken.
Nur Leon schenkt mir einen tiefen, fragenden Blick, und ich bin froh, dass Julia ihn nicht bemerkt.
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Kapitel 8
D ie nächsten Tage vergehen wie in Trance, und ich starre ununterbrochen auf mein Handy, in der Hoffnung, eine erlösende Nachricht von Vero zu bekommen. Ich informiere Birgit Stade kurz und knapp darüber, was passiert ist, und auch sie zeigt sich optimistisch, was die Genesung ihrer Chefin betrifft.
Woher die alle nur ihre Zuversicht nehmen?, frage ich mich und versuche mich so gut es geht abzulenken. Leon, der inzwischen auch weiß, was passiert ist, erkundigt sich jeden Tag rührend danach, ob es Neuigkeiten gibt und ob er mir irgendwie helfen kann. Ich verneine jedes Mal, auch wenn mir seine Anteilnahme guttut.
Vier Tage später erhalte ich von Vero die beunruhigende Nachricht, dass es Bea immer noch nicht bessergeht und die beiden in drei Tagen mit Air India nach Hamburg fliegen werden. Dort soll meine Tante umgehend ins Tropeninstitut eingeliefert werden, weil die Ärzte in Bombay die Verantwortung nicht mehr übernehmen können. Trotz der Tatsache, dass Bea offensichtlich immer noch sehr krank ist, freue ich mich, dass sie nun bald wieder in Deutschland ist. Immerhin kann ich meine Tante dann wenigstens im Krankenhaus besuchen.
Ich erhalte die Nachricht just in dem Moment, als Leon in der Bücherkoje ist, und bin so aufgewühlt, dass ich wieder zu weinen beginne. Leon drückt mich spontan an sich, als er hört, was passiert ist, und hält mich einen kurzen Moment lang fest, was sich seltsam vertraut und tröstlich anfühlt.
»Ich finde, wir sollten dich ein wenig von deinem Kummer ablenken«, sagt er, als er mich loslässt, und ich nicke wortlos. »Was hältst du davon, wenn ich dich morgen Abend zum Essen einlade? Bei all der Anspannung und den Sorgen tut es dir vielleicht mal ganz gut, ein wenig rauszukommen. Wie wäre es mit einem kleinen Ausflug?«, fragt er, und seine Augen funkeln abenteuerlustig.
Für einen Moment zögere ich, weil ich an Julia denke, doch dann beschließe ich, dass es allein Leons Sache ist, wie er sich mir gegenüber verhält.
»Gern«, antworte ich erfreut. »Was hast du vor?«, erkundige ich mich neugierig, erhalte aber lediglich die lapidare Antwort, dass es eine Überraschung sei und ich mich zusammen mit Timo um 19.00 Uhr in warmer Kleidung vor der Bücherkoje bereithalten solle.
Die Mittagspause verbringe ich bei Nele, die sich ebenfalls mit mir darüber freut, dass Bea in wenigen Tagen wieder in Deutschland sein wird, aber versteht, dass ich mir Sorgen um sie mache.
»Das wird schon wieder«, versucht sie mir Mut zu machen. »Du wirst sehen, alles wird gut. Wenn Bea diese Krise erst überstanden hat, wird sie sich fühlen wie neugeboren und uns allen mit ihrer Energie auf die Nerven gehen«, sagt sie, und ich muss wider Willen über ihre Formulierung lachen.
Als ich Nele erzähle, dass Leon mich für den morgigen Abend eingeladen hat, blitzt es kurz in ihren Augen auf, was ich nicht näher deuten kann. Dann folgt, wie nicht anders zu erwarten war, die übliche Art von Kommentar, wie er nur von Nele stammen kann. »Vergiss nicht, dir Kondome mitzunehmen«, sagt sie grinsend.
Als Revanche für diesen Spruch kneife ich sie in die Seite. »Blöde Kuh, wie kommst du denn auf so was?«, knurre ich und finde meine Freundin zur Abwechslung mal wieder so richtig doof. »Hast du eigentlich nichts anderes im Kopf?«, frage ich.
Allerdings kassiere ich wieder nur ein breites Lächeln und ein gutgelauntes »Nö, gibt’s denn was Schöneres?«, woraus ich schließe, dass sie mit Valentin gerade eine gute Phase hat.
Tja, gibt es etwas Schöneres?, frage ich mich, als ich abends im Bett liege und den Tag Revue passieren lasse. Doch, ich wüsste etwas: die schnelle Genesung meiner Tante. Das ist das Einzige, das mich momentan wirklich interessiert und das ich mir sehnlicher wünsche als alles andere auf der Welt. Selbst wenn ich in Momenten wie diesen gern jemanden hätte, der mich festhält. Es hat gutgetan, von Leon umarmt zu werden, stelle ich fest und lasse meine Gedanken schweifen, um mich von meinem Kummer wegen Bea abzulenken.
»Kannst du mir sagen, wann ich mich wieder verlieben werde, Timo?«, murmle ich, während ich mich auf meine Einschlafseite drehe und mich wie ein Fötus zusammenrolle.
Müßige Frage! Es bleibt mir sowieso nichts anderes übrig, als alles auf mich zukommen zu lassen. Timo scheint der gleichen Ansicht zu sein und
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