Inselzauber
flackernde Kerze alsbald unsere Behausung in warmes Licht taucht. Aus der kleinen Tasche holt er zwei Becher, eine Thermoskanne mit Glühwein und mehrere Schüsseln, in denen sich allerlei Leckereien befinden, die er nach und nach auf dem Tischtuch plaziert, das er ebenso im Gepäck hat wie Servietten und Besteck.
Den Zelteingang lässt Leon offen, damit wir auf die Düne und aufs Meer schauen können. Wir haben Vollmond, der sich rund im Wasser spiegelt, dessen Abbild aber immer wieder durch die sich aufbäumenden Wellen gebrochen wird. Dankbar schlürfe ich den Glühwein, den Leon offensichtlich noch mit etwas Rum angereichert hat, weshalb das Getränk mir nicht nur schnell ins Blut schießt und damit meinen Körper wärmt, sondern auch in den Kopf.
»Ist es nicht wunderschön hier?«, fragt Leon und blickt verträumt nach draußen.
»Ja«, antworte ich und bin ganz gerührt wegen der Mühe, die er sich gemacht hat. »Nun hast du also das Programm realisiert, das du damals schon als Alternative im Kopf hattest, als wir zur Lesung von Marco Nardi gefahren sind«, stelle ich fest und nehme einen Happen von dem Krabbenbrötchen, das ich mir aus all den Köstlichkeiten ausgesucht habe.
»Stimmt«, pflichtet Leon mir bei und bestreicht eine Ciabatta-Hälfte mit Trüffelleberpastete. »Ich bin nun mal gern in der Natur und noch lieber am Wasser, auch wenn es um diese Jahreszeit eigentlich zu kalt ist für ein romantisches Strandpicknick. Wenn es dir also zu kühl wird, müssen wir eben zwischendurch mal ein paar Meter gehen oder noch mehr Glühwein trinken!«
Bei dem Wort »romantisch« verschlucke ich mich fast, denn ich muss an Julia denken und daran, ob sie wohl von unserem Ausflug weiß. »Wo ist Timo eigentlich hin?«, frage ich, um wieder neutraleres Terrain zu gewinnen, und rufe nach dem Hund, der sich mittlerweile genüsslich in den Dünen wälzt. Bin ich froh, wenn wir bei dieser Aktion nicht erwischt werden!
»Timo geht es glaube ich bestens, um den musst du dir keine Gedanken machen«, antwortet Leon und mustert mich amüsiert.
»Weiß Julia, dass du mit mir unterwegs bist?«, entfährt es mir auf einmal, und während ich diese Frage stelle, könnte ich gleichzeitig vergehen vor Scham und Peinlichkeit.
»Klar weiß sie das«, lautet die ungerührte Antwort, während mein Gastgeber genüsslich an seinem Brötchen kaut. »Ich bin eigentlich kein Typ für Heimlichkeiten«, fährt er fort.
Ich überlege kurz, was ich mir unter der Einschränkung »eigentlich« vorstellen soll. »Wie lange seid ihr schon zusammen, Julia und du?«, erkundige ich mich dann, um damit von vornherein jedwede Spannungen aus dem Gespräch zu nehmen.
»Mit einer kleinen Unterbrechung ein gutes Jahr. Julia ist im Januar nach Sylt gekommen, weil sie ihr Volontariat beim
Sylter Tagesspiegel
absolviert hat. Damit ist sie nun fertig und seit Beginn dieses Jahres freie Redakteurin, allerdings arbeitet sie momentan ist erster Linie für uns.«
»Was heißt in diesem Zusammenhang ›momentan‹?«, frage ich interessiert. »Bedeutet das, dass sich an diesem Zustand bald etwas ändert?« Wie immer bin ich beeindruckt davon, wenn Menschen genau wissen, was sie beruflich machen wollen, und diesen Weg konsequent verfolgen.
»Ja, ich denke schon. Der
Tagesspiegel
ist nun mal nicht die
Frankfurter Allgemeine
oder die
Süddeutsche Zeitung.
Wir machen schon ein gutes und engagiertes Blatt, aber um weiterzukommen, muss Julia auf jeden Fall etwas anderes kennenlernen. Ihr Traum ist es, nach Berlin zu gehen. Oder gleich ins Ausland. Am liebsten würde sie in Paris leben und von dort aus als Korrespondentin arbeiten. Ein Job beim Fernsehen wäre genau das Richtige für sie.«
Stimmt, ich erinnere mich. Beim Biike-Brennen hat sie auch für eine TV -Produktion gearbeitet. »Hat sie denn etwas Derartiges in Aussicht?«, hake ich nach.
»Momentan sieht es gar nicht so schlecht aus für sie. Heute ist sie zum Beispiel bei der
Berliner Zeitung,
um sich dort vorzustellen. Über kurz oder lang wird ihr schon gelingen, was sie vorhat. Julia weiß sehr genau, was sie will. Und sie bekommt es meist auch!«
So wie dich, denke ich und überlege, ob ich Leon eigentlich attraktiv finde. Im Schein der Kerzen sieht sein Gesicht sehr sanft aus, ein relativ energisches Kinn bewahrt ihn jedoch davor, zu bubihaft zu wirken, ebenso wie seine Brille. Er ist groß und schlank, aber nicht zu sehr, was ich ganz sympathisch finde, weil ich diesen perfekt geformten, unter
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