Inselzauber
haben.«
»Was?«, rufe ich entsetzt aus und vertippe mich vor Aufregung beim Kassieren. »Bist du dir sicher, dass es wirklich endgültig ist und nicht nur ein Streit? Ihr beide liebt euch doch!«, höre ich mich sagen, auch wenn ich in meinem tiefsten Inneren nie wirklich das Gefühl hatte. Zumindest nicht, was das Verhältnis von Julia zu Leon betrifft.
»Nein, das ist keine Phase«, seufzt Leon. »Dazu hält diese Phase schon viel zu lange an. Im Grunde haben Julia und ich wahrscheinlich nie wirklich zusammengepasst. Nun geht sie nach Berlin, und das ist vermutlich auch gut so.«
»Das tut mir leid«, sage ich mitfühlend, weil es mich bedrückt, zu sehen, wie Leon leidet.
Er ist so ein netter Mann, man kann viel Spaß mit ihm haben, und unser Strandpicknick gehört zu den schönsten Erlebnissen, die ich bislang auf Sylt hatte. Irgendwie habe ich das Bedürfnis, ihm über den Kopf zu streicheln und ihm zu sagen, dass alles wieder gut wird. So wie ich es mir selbst oft für mich wünsche. Der alte Kindertraum, in dem eine gute Fee alles Böse wegzaubert.
»Was hältst du davon, wenn ich dich diesmal ein wenig ablenke?«, frage ich in Gedanken an unser Strandpicknick und überlege gleichzeitig, womit ich das wohl schaffen könnte. Gegen echten Liebeskummer anzukommen ist schier unmöglich. Denn die Leere, die sich nach einer kurzfristigen Ablenkung auftut, ist meist noch größer als der Schmerz zuvor. Mit diesem Gefühl kenne ich mich nach der Trennung von Stefan bestens aus.
»Klingt gut«, antwortet Leon knapp, und ich habe das Gefühl, dass er mit Tränen kämpft.
»Wir könnten eine Radtour machen«, sage ich schnell, um zu verhindern, dass er hier in der Öffentlichkeit seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Nicht, weil ich es peinlich finde, einen Mann weinen zu sehen, sondern weil ich weiß, dass es ihm anschließend unangenehm sein würde. »Wir könnten zum Rantum-Becken fahren, Vögel beobachten. Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht«, schlage ich vor, in Erinnerung daran, dass ich diesen Ausflug einmal im Jahr mit Onkel Knut unternommen habe, wenn er mal nicht auf See war. Und wie schön es war, sich von ihm die Natur zeigen und erklären zu lassen. »Ich sorge für ein Picknick, und du holst mich am Samstag um vier hier ab. Was meinst du? Hast du Lust?«
Leon bejaht, und so verabreden wir uns für den übernächsten Tag.
»Wer vertritt dich dann im Möwennest?«, frage ich am Nachmittag meine Freundin, die mir ihren neuen Sonnenhut vorführt, den sie beim Segeltörn mit Alexander Herzsprung tragen möchte.
»Ich habe Lisa gebeten, Samstag und Sonntag auszuhelfen. Am Wochenende ist sowieso nicht viel los, das schafft sie schon alleine. Sie kennt den Laden durch die Kochbuchpräsentation. Und ich wollte dich fragen, ob du eventuell mal bei ihr vorbeigehen könntest, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist«, sagt meine Freundin zaghaft und sieht mich bittend an.
Na toll, denke ich. Was soll ich an diesem Wochenende eigentlich noch alles machen? Leons Liebeskummer vertreiben? Meiner Freundin helfen? Zwischendurch Bea bei Laune halten? Schließlich muss ich am Samstag selbst arbeiten.
»Komm schon, Lissy, bitte! Bitte, bitte, bitte«, bettelt Nele wie ein kleines Kind.
Ich kann nicht umhin, zu lachen. »Aber nur, wenn du mir versprichst, Leon und mir einen Picknickkorb zu bestücken. Wir wollen nämlich Samstag eine Radtour machen. Ich bezahle natürlich auch dafür, aber du würdest mir die Zeit für die Vorbereitungen ersparen.«
»Du machst einen Ausflug mit Leon?«, fragt Nele und reißt die Augen auf. »Sag mal, Lissy, was ist denn plötzlich los mit dir? Du mutierst allmählich zum Vamp, so kenne ich dich gar nicht. Erst dieses Dinner mit Marco Nardi, aus dem du immer noch ein Geheimnis machst, und nun eine Radtour mit Leon. Was sagt denn Julia dazu?«
Ich kläre Nele darüber auf, dass Julia ab sofort nicht mehr das Recht hat, irgendetwas zu Leons Plänen zu sagen, und dass ich ihm auf freundschaftlicher Basis ein wenig helfen will, eine Pause von seinem Kummer zu bekommen.
»Das MUSSTE ja irgendwann so kommen«, kommentiert Nele die neuesten Ereignisse. »Ich fand diese Julia ja von Anfang an furchtbar. Dämliche Karrierezicke! Die soll mal ruhig nach Berlin abhauen. Vermutlich vögelt sie dort schon längst mit dem Chefredakteur und hat den Job nur wegen ihrer blauen Augen und ihrer langen Beine bekommen«, giftet Nele derart aggressiv, dass ich mich wundere. »Okay, was
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