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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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ob einer den Schuss gehört hat. Jemand, der vielleicht später Feierabend gemacht oder sich aus irgendeinem anderen Grund länger hier aufgehalten hat. Und erkundigen Sie sich auch, ob einer der Angestellten etwas Auffälliges beobachtet hat. Ein Auto, eine Person …«
    Sören nickte und macht sich mit hängendem Kopf auf den Weg. Dass seine Anweisung ohne Kommentar geblieben war, machte Erik unruhig. Hoffentlich hatte Sören den Auftrag überhaupt verstanden!
    Erik drehte sich um und kehrte der Leiche, seinen Kollegen und den vielen Neugierigen den Rücken zu, während er sein Handy hervorholte. Der Blick aufs Meer tat ihm gut. Er sah einem Schiff nach und hatte das wohltuende Gefühl, es nähme mindestens zwei oder drei der Schnäpse mit, die noch vor wenigen Augenblicken in seiner Körpermitte rumort hatten. Sein Schuldgefühl, weil er einer ohnehin schon kränkelnden Topfpflanze drei bis vier Köm zugemutet hatte, verließ ihn nun gänzlich.
    Die Mittagssonne spielte mit den kleinen, flinken Wellen. »Lametta auf dem Wasser!« So hatte Lucia es genannt, wenn die Wellen nichts als eine waagerechte Unruhe auf dem Wasser waren. Sie glichen den Wolkenlinien am Himmel, die eintönig grau waren, während sie sich vor die Sonne schoben, und zu einer hübschen Lichtgirlande wurden, während sie einen blauen Streifen freilegten und der Sonne die Möglichkeit gaben, Lametta aufs Wasser zu zaubern. Erik liebte diese stille Stunde, wenn aus dem Mittag noch kein Nachmittag geworden war, wenn der Tag noch träge war und die Touristen auch, die sich dann bei gutem Wetter am Strand aufhielten und bei schlechtem zum Mittagschlaf in ihren Hotelbetten.
    Er hielt die Plastiktüte mit den Visitenkarten hoch und wählte mit dem rechten Daumen die Nummer der Redaktion Blitz. Dreimal musste er sich weiterverbinden lassen, bis er an den Chefredakteur kam, der sich für zuständig erklärte. Und da Johannes Schmitz vor Jahren mal versucht hatte, Erik ein Interview abzuringen, nachdem ein bekannter Sänger auf Sylt von einem fehlgeleiteten Bewunderer erstochen worden war, hatte er auch keinen Zweifel daran, wirklich den Hauptkommissar Erik Wolf am Apparat zu haben.
    Johannes Schmitz war sehr betroffen, als er vom Tod seines Reporters hörte. »Ermordet? Warum, um Himmels willen?«
    Â»Ich hatte gehofft, von Ihnen einen Hinweis zu bekommen«, antwortete Erik. »Woran arbeitete Max Triebel? War er irgendeiner heißen Sache auf der Spur? Wollte jemand verhindern, dass er etwas aufdeckte?«
    Erik atmete tief durch. Diese Sätze waren zwar sicher und kräftig herausgekommen, ohne Schwanken, ohne dass seine Zunge ihm ständig im Wege war, aber er merkte auch, dass er noch immer auf der Hut sein musste. Der Chefredakteur würde schnell merken, was mit ihm los war, wenn es ihm nicht gelang, sich zusammenzureißen.
    Johannes Schmitz zögerte. »Ich habe Max nach Sylt geschickt, damit er sich bei ›Liebe, Leid und Leidenschaft‹ umsieht. Wir haben zurzeit so was wie ein Sommerloch.«
    Â»Kurz vor Ostern?«
    Â»Das ist ja das Problem! Das Sommerloch kommt jedes Jahr, aber dass im Frühling nichts los ist, hatten wir noch nie. Kein Promi, der seine Frau betrügt, keine spektakuläre Trennung, keine Scheidung, kein Rosenkrieg! Ich hatte gehofft, Max findet irgendwas, was eine Schlagzeile lohnt. Auf Sylt ist doch immer was los. Und wo Eidam-TV dreht, finden sich auch ein paar kleine Meldungen, die die Leser interessieren.«
    Â»Und? Hat Max Triebel was gefunden?«
    Â»Warten Sie mal! Ich erkundige mich. Vielleicht hat er sich in der Redaktion gemeldet.«
    Erik behielt das Handy am Ohr. Er hörte die Stimme des Chefredakteurs, der anscheinend ein anderes Telefon benutzte, konnte aber nicht verstehen, was er sagte. Ein Motorboot hielt auf die Hafeneinfahrt zu. Das Tuckern schien aus weiter Ferne zu kommen. Es blieb dumpf, auch noch, als das Boot sich näherte. Ein Teil der Stimmung, verschwommen und ein bisschen entrückt.
    Erik drehte sich um, als das Knistern an seinem Ohr zeigte, dass der Chefredakteur das Telefon wieder zur Hand nahm. Die Leiche war soeben in den Sarg gelegt worden, der Deckel schloss sich in diesem Augenblick. Erik war froh, dass das Geräusch, das damit verbunden war, nicht bis an seine Ohren drang.
    Â»Ich habe gerade was Interessantes gehört«, sagte Johannes Schmitz. »Max hat

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