Inselzirkus
das alte Handy auf den Tisch zu legen. »Die wissen dann schon Bescheid.«
Mamma Carlotta war zufrieden. Wenn das so einfach war, würde auch sie bald zu den Leuten gehören, die ständig ein Telefonino am Ohr hatten und ihre Umgebung mit ausgefallenen Klingeltönen terrorisierten. Dass sie in ihrem Dorf darauf bestand, jedes Gespräch von Angesicht zu Angesicht statt von Handy zu Handy zu führen, vergaà sie der Einfachheit halber. Auch, dass sie zu einem regelrechten Gegner des mobilen Telefons geworden war, seit es keine Mahlzeit mehr gab, an dem nicht mindestens ein Telefonino klingelte, lieà sie unerwähnt. Ebenso, dass es sie schrecklich ärgerte, wenn jemand so laut in sein Handy sprach, dass der Rest der Tischrunde sich anschreien musste, um sich verständlich zu machen. Niemals, so hatte sie sich geschworen, sollte ein Telefonino an ihr Ohr kommen, erst recht nicht in ihren Besitz. Also würde sie wohl das Handy mit der komischen Karte, deren Namen sie nicht behalten hatte, auf Sylt zurücklassen müssen, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollte. Dann brauchte in Umbrien niemand zu erfahren, dass sie einen Grundsatz gebrochen hatte.
Die Casting-Chefin lächelte zufrieden und legte ihr sogar kurz eine Hand auf die Schulter. »Und passen Sie auf Ihre Enkelin auf! Unserem Chefautor ist kein Mädchen zu jung! Der nimmt alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist.«
Mamma Carlotta wusste nicht, ob sie sich über diesen Ausspruch empören oder amüsieren sollte. SchlieÃlich entschied sie sich für Letzteres und lachte so lange, bis sie ihre Sorge weggelacht hatte und eine der drei Schauspielerinnen zur Theke gegangen und mit einer Flasche Sekt zurückgekehrt war.
Die Casting-Chefin lehnte dankend ab und verlieà die Kantine, weil in dem Zirkuswagen, der ihr als Büro diente, jede Menge Arbeit wartete.
Die anderen aber griffen vergnügt zu ihren Sektflöten. »Wir haben Zeit!«
Tanja Möck schob ihren Stuhl nach hinten, um zu signalisieren, dass sie keine Zeit hatte, doch als sie gebeten wurde, ein Glas mitzutrinken, verzichtete sie darauf, ihr Gewicht in die Höhe zu wuchten, und blieb sitzen. Immerhin brachte sie ein dynamisches Nicken zustande, als sie das Sektglas entgegennahm und den anderen zuprostete.
Mamma Carlotta fühlte sich von Minute zu Minute wohler. Als sie gefragt wurde, warum sie so gut Deutsch sprach, vergaà sie den missbilligenden Blick und die Vorwürfe ihrer Enkelin. Freudig gab sie Auskunft und berichtete, dass sie seinerzeit mit ihrer Tochter am Telefon Deutsch gesprochen hatte, um die Sprache zu erlernen, mit der Lucia sich auf Sylt verständigte. »SchlieÃlich wollte ich mit meinem Schwiegersohn reden können! Und mit meinen Enkelkindern!« Sehr schnell war es aufwärtsgegangen mit ihren Sprachkenntnissen, vor allem dann, als Carolin sich ihrer Nonna angenommen und ihr per Telefon Deutschunterricht gegeben hatte. »Sie hat mir jeden Sonntag ein paar Aufgaben diktiert. Die habe ich alle erledigt, während ich am Bett meines kranken Mannes saÃ.« Und dann hatte der Nachbar eine Deutsche geheiratet, die sich gern in ihrer Muttersprache unterhielt. Seitdem konnte Mamma Carlotta vielleicht nicht besser, aber auf jeden Fall schneller reden als mancher Sylter. Wenn ihr Sprachschatz versagte, halfen ihr Mimik und groÃe Gesten weiter. »Allora! Unâitaliana kommt überall zurecht.«
Davon hatte sie die anderen im Nu überzeugt. Und als ihr Glas geleert war, konnte sie schon wieder hoffen. Carolin würde längst eingesehen haben, dass alle Vorwürfe, die sie ihrer Nonna gemacht hatte, grund- und haltlos waren. In so netter Gesellschaft und dazu in einer Umgebung, von der sich später in ihrem Dorf viel berichten lieÃ, hatten Sorgen keinen Platz! Ihre Nachbarinnen würden sich die Türklinke in die Hand geben, wenn sich herumsprach, dass Carlotta mit drei Schauspielerinnen aus »Liebe, Leid und Leidenschaft« Sekt getrunken hatte. Dass es sich nur um die Darstellerinnen kleinerer Rollen handelte, darauf kam es nicht an.
»Wir duzen uns hier!«, sagte die Ãlteste der drei gerade und hob ihr Glas erneut. »Ich heiÃe Heidi.«
Sie spielte die Sekretärin des Arztes, die leider selten mehr zu tun hatte, als ihrem Chef Kaffee zu bringen und einen Patienten anzumelden. Eine blendend aussehende Frau mit langen blonden Haaren, die sie zu einer
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