Inselzirkus
dass seine Tochter so wortkarg war wie er selbst und einen angenehmen Gegensatz bildete zu dem italienischen Temperament, das er durch Felix im Hause hatte und das mit seiner Schwiegermutter regelmäÃig zu Besuch kam. Er wandte sich an Felix: »Kannst du mir das erklären?«
Der erhob sich ebenfalls. Kopfschüttelnd sah er seinen Vater an. »Du tickst wirklich nicht mehr ganz richtig, Papa! Wie kannst du dich von der Nonna so aufhetzen lassen? Zum Chefautor gehen und sich beschweren! Das ist echt das Hinterletzte!«
»So war das gar nicht«, versuchte Erik sich zu rechtfertigen, aber auch Felix war schon auf dem Weg zur Tür und schien keinerlei Interesse an den Erklärungen seines Vaters zu haben. »Ich war dienstlich bei dem Chefautor!«
»Und die Erde ist eine Scheibe«, entgegnete Felix, ehe die Küchentür ein zweites Mal donnernd zufiel.
»Worüber hätte ich mich beschweren sollen?«, rief Erik ihm nach, doch eine Antwort bekam er nicht.
»Die kriegen sich schon wieder ein«, meinte Sören, der sich noch gut genug an die Pubertät erinnern konnte, um zu wissen, welche Worte man niemals auf die Goldwaage legen sollte. »Ich würde jetzt nicht hinter den beiden herlaufen!« Damit hielt er Mamma Carlotta zurück, die gerade Anstalten machte, die Tür aufzureiÃen und auf der Stelle die Gerechtigkeit wiederherzustellen.
Mamma Carlotta lieà sich schwer auf ihren Stuhl fallen und berichtete erstaunlich zügig und mit klaren und sogar knappen Worten, was sich in der Kantine zugetragen hatte. »Sollte ich zusehen, wie dieser Fiesling auch Carolina zu seinem süÃen Küken macht? Wohin das führt, kann man sich ja denken!«
Erik gab ihr unumwunden recht, worauf Mamma Carlotta einen weiteren Espresso brauchte, um damit den Umstand zu genieÃen, dass ihr eine schwere Last von der Seele genommen worden war.
»Du hast alles richtig gemacht!«, betonte Erik noch einmal, und ein winziges Lächeln blitzte unter seinem Schnauzer hervor. »Dann dachte der Chefautor also, ich wollte ihn zur Rechenschaft ziehen, weil er meine Tochter angegrapscht hat. Jetzt verstehe ich endlich!«
»Carolin wird sich schon wieder einkriegen«, meinte Sören zuversichtlich. »AuÃerdem müssen wir uns jetzt um das Wesentliche kümmern, Chef. Die Staatsanwältin wird einen Bericht von uns erwarten. Was sollen wir ihr sagen?«
Erik zählte es an den Fingern auf. »Ein Journalist wurde ermordet, der einem Skandal um Bruce Markreiter auf der Spur war. Der hätte ein Motiv, und vermutlich ist Triebel sogar mit dessen Waffe erschossen worden. Aber ⦠er hat höchstwahrscheinlich auch ein Alibi. Doch es gibt auch eine Stalkerin, die Max Triebel gehasst hat, weil sie ihren Schwarm von ihm bedroht sah.«
»Aber von der wissen wir so gut wie nichts«, ergänzte Sören und sah schlagartig deprimiert aus. »Nur, dass sie Berlinerin ist! AuÃer Sandra Zielckes Aussage haben wir nichts. Und die ist mehr als dürftig.«
»Vielleicht hat der Täter auch nur deshalb Markreiters Waffe gestohlen, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Weil bekannt ist, dass er die Skandalpresse hasst. Und die Blitz ganz besonders!«
»Dann muss es jemand aus Markreiters Umfeld sein!«
Erik nickte. »Wir sollten dem Chefautor auf den Zahn fühlen. Der hat den Verdacht sofort auf Markreiter gelenkt.«
»Und das ist ein Kerl«, warf Mamma Carlotta ein, »dem alles zuzutrauen ist.«
Erik grinste leicht. »Wer junge Mädchen anbaggert, bringt auch Journalisten um?«
Bevor er sich über das ärgerliche Gesicht seiner Schwiegermutter amüsieren konnte, ging sein Handy. Der Leiter der Spurensicherung war am anderen Ende. »Irgendwas gefunden?«, fragte Erik.
Vetterich antwortete genauso knapp. »Schuhspuren unter dem Balkon von Triebels Apartment und Fingerabdrücke am Balkongitter!«
»Also war kein Profi am Werk«, meinte Erik. »Der hätte Handschuhe getragen.«
»Die Spuren sind gesichert. Schuhe in GröÃe fünfundvierzig und einundvierzig. Ich lasse heute noch das Sohlenrelief prüfen, dann sage ich Ihnen, um welche Schuhtypen es sich handelt. Vorausgesetzt, die Abdrücke stammen von Markenschuhen. Sie müssen dann nur noch einen Verdächtigen finden, zu dem sie passen.« Vetterich grunzte zufrieden, wie er es immer tat, wenn die Spurenausbeute gut war.
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