Inselzirkus
Thema. Es gibt kaum einen Star, der noch nicht gestalkt worden ist. Ich hatte mal einen Kollegen am Theater, der wurde von einer Frau verfolgt, die sich ähnlich verhielt. Er sah sie nie, aber er wusste immer, dass sie da war. Als sie verhaftet wurde, hat sie gesagt, sie habe ihn vor der bösen Welt beschützen müssen. Die böse Welt war in diesem Fall eine Ehefrau, die ihn angeblich nicht verdient hatte.«
»Was ist mit der Ehefrau passiert?«, fragte Erik unheilvoll.
»Sie fiel einem Verkehrsunfall zum Opfer. Dass die Stalkerin dahintersteckte, lieà sich zwar nicht beweisen, aber vieles sprach dafür. Und der Intendant ist mit anonymen Briefen bedroht worden. Der wollte nämlich den Vertrag des Schauspielers nicht verlängern.«
Sören schien endlich vergessen zu haben, dass Sandra Zielcke eine attraktive Frau war. Sein Gesicht war nicht mehr voller Bewunderung, sondern sehr nachdenklich geworden. »Was ist mit Bruce Markreiter und Harry Jumperz?«, frage er. »Gabâs Probleme zwischen den beiden?«
»Jede Menge«, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück. »Bruce konnte Harry nicht ausstehen. Er lieà ihm keine Freiheiten in der Gestaltung seiner Rolle. Ich habe vor ein paar Tagen aufgeschnappt, dass Bruce vorzeitig aus seinem Vertrag rauswollte. Aber Harry wollte ihn nicht gehen lassen.« Sandra Zielcke wandte sich wieder zur Tür und griff nach der Klinke. »Mir ist auch zu Ohren gekommen, dass Bruce ein interessantes Filmangebot bekommen hat. Das kann er nicht annehmen, wenn er weiter für âºLiebe, Leid und Leidenschaftâ¹ arbeitet. Aber Harry soll gnadenlos gewesen sein. Er hat auf Vertragserfüllung bestanden.«
Erik erhob sich und machte zwei Schritte auf Sandra zu. »Wie sah die Frau aus? Können Sie sie beschreiben?«
Sandra nickte. »Mitte bis Ende zwanzig, groà und schlank, mit dunklen Haaren. Sie hat einen Leberfleck auf der Oberlippe, der ist mir gleich aufgefallen.« Wieder setzte sie das schuldbewusste Lächeln auf, als täte es ihr leid, dass sie nicht mit dem Namen der Stalkerin aufwarten konnte und auch nicht auf die Idee gekommen war, sie festzuhalten und nach der Polizei zu rufen. »Dass sie Berlinerin ist, wissen Sie ja schon. Das hatte Max Triebel mir verraten. Mehr kann ich leider nicht sagen.«
Erik machte eine versöhnliche Geste, wollte Sandra Zielcke erklären, dass sie ihnen sehr geholfen hatte ⦠aber das erledigte Sören bereits mit allergröÃter Freundlichkeit und ausführlicher, als Erik es angemessen fand.
Ein Leberfleck auf der Oberlippe! Plötzlich sprang Erik auf und lief zur Tür. Sandra Zielcke hatte das Revierzimmer noch nicht durchquert. »Wann war das?«, rief er ihr nach. »Um wie viel Uhr ist Ihnen die Stalkerin aufgefallen?«
Sandra zögerte. »Zwischen halb neun und neun«, meinte sie dann.
Erik nickte, vergaÃ, sich zu bedanken, und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Ausgiebig strich er sich seinen Schnauzer glatt, dann griff er zum Telefon und wählte.
Er hatte damit gerechnet, die Stimme seiner Schwiegermutter zu hören, aber es war Felix, der sich meldete. »Ich habe zwei Freistunden. Die Nonna ist unterwegs.«
»Geh bitte mit dem Telefon in die Küche«, trug Erik ihm auf, »und schau auf Carolins Stundenplan. Er hängt an der Pinnwand direkt neben deinem.« Erik hörte Felix die Treppe hinunterlaufen und die Küchentür öffnen. »Wann hat Caro heute Morgen Deutsch?«
»Erste und zweite Stunde«, gab Felix zurück.
»Also von acht bis halb zehn?«
»Exakt!«
Währenddessen war Sören zurückgekommen. Sobald Erik aufgelegt hatte, meinte Sören: »Sie haben wirklich gedacht, Alina Olsted �«
Erik antwortete nicht, sondern rief die Schule an. Als er erfuhr, dass Frau Olsted nicht krank war, sondern ihren Unterricht nach Plan absolviert hatte, meinte er: »Jetzt wissen wir es wenigstens genau. Sie kann nicht die Stalkerin sein.«
Sören war noch nicht überzeugt. »Es sei denn, sie hat eine Dienstauffassung wie meine frühere Englischlehrerin. Die brachte uns Arbeitszettel mit und machte Besorgungen, während wir die Fragen beantworten mussten. Kurz vor Unterrichtsende kam sie wieder und hat die Zettel eingesammelt.«
Erik war empört. »Das ist ja unglaublich!« Dann jedoch winkte er ab. »Sicherlich hätte Carolin das
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