Inshallah - Worte im Sand - Roman
weiblicher Offizier.« Er strich sein Haar glatt. »Angeblich ist es die mächtigste Armee der Welt, aber es gibt darin Frauen, die Männer befehligen.« Er wischte sich Schweiß von der Stirn. Dann lächelte er und gab Najib einen Klaps auf den Rücken. »Sie sagt, dass sie Zulaikhas Mund behandeln möchten. Sie wollen Lippe und Zähne richten.«
Ich traute meinen Ohren nicht. Was hatte Baba da gesagt? Ich hatte ihn sicher missverstanden.
Ich fasste an meine Zähne. Konnten man sie wirklich so richten, dass sie genauso gerade waren wie die aller anderen? Konnte die Amerikaner dafür sorgen, dass ich eine richtige Lippe bekam? Wie sollte das gehen? MeineLippe war so verformt, dass es kaum etwas daran zu richten gab.
Ich fragte mich vor allem, warum sie meine Lippe überhaupt in Ordnung bringen wollten. Waren sie denn nicht gekommen, um sich für Terrorangriffe in ihrem eigenen Land an den Taliban zu rächen? Welchen Nutzen hatte es für sie, wenn sie mich behandelten?
»Stimmt das, Baba?«, fragte ich. Mir war schwindelig und ich wusste nicht, ob es an der Hitze oder dieser unglaublichen Neuigkeit oder daran lag, dass ich so aufgeregt hierhergeeilt war.
Baba lächelte mich an und nickte langsam. »Es würde uns nichts kosten, sagt sie. Wenn ihr Arzt in Kandahar meint, dass er deinen Mund richten kann, werden die Amerikaner dich umsonst operieren.«
Die amerikanischen Soldaten hatten Ärzte? Ja, natürlich. Sie musste ja ihre Verwundeten behandeln. Aber warum sollte einer ihrer viel beschäftigten Ärzte ausgerechnet mir helfen? Es gab doch sicher viel dringendere Fälle!
Doch tat das etwas zur Sache? Wenn es stimmte, was Baba gesagt hatte, würde ich endlich normal aussehen. Najib gab mir einen Klaps auf den Rücken und lächelte mich an.
Baba stand wieder gedankenverloren da. Während sich die Menge zerstreute, sah er zur Baustelle der Schule. »Was habe ich euch gesagt?«, fragte er. »Alles wendet sich zum Guten.«
Wenn Baba von den kommenden guten Zeiten erzählt hatte, war ich nie auf den Gedanken gekommen, dass mein größter Wunsch in Erfüllung gehen könnte. Ich legte eine Hand vor meine Hasenscharte. Vielleicht würdeich rechtzeitig für Najibs Hochzeit hübsch aussehen. Ich schloss meine feuchte Hand fest um die Plastiktüte.
»Das ist eine gute Neuigkeit«, bestätigte Najib.
»Ha! Das ist eine großartige Neuigkeit! Bei uns kann nichts mehr schiefgehen!« Baba legte mir erneut eine Hand auf die Schulter. »Nur keine Sorge.« Er zog mich dicht an sich. »Geh nach Hause, Zulaikha. Ich werde alles Wichtige in die Wege leiten. Dein Baba kümmert sich um alles.«
»Oh, wie herrlich, Zulaikha! Das ist unfassbar. Ein Wunder.« Zeynab schloss mich in die Arme und küsste mich auf die Wange.
Meine Schwester und ich unterhielten uns auf dem Dach unseres Hauses, während Khalid und Habib mit ihren neuen Soldaten spielten. Ich hatte Zeynab alles erzählt, was ich auf der Baustelle erlebt hatte.
»Ich hätte nie gedacht, dass so etwas überhaupt möglich wäre.« Ich setzte mich und lehnte den Rücken gegen die Mauer, die das Dach umschloss. »Kaum zu glauben, dass es ein solches Wunder geben kann. Ist das eine Sünde, Zeynab? So viele Zweifel zu haben, obwohl ich eigentlich vor Glück singen und tanzen müsste?«
Zeynab setzte sich neben mich und legte mir einen Arm um die Schultern. »Ja, das ist eine Sünde.« Ich sah sie fragend an und sie lachte. »Aber Allah wird dir in seiner unendlichen Güte vergeben. Ich werde zusätzliche Gebete sprechen, damit du bald operiert wirst.« Sie wiegte uns hin und her. »Du bekommst endlich, was du immer schon verdient hast. Nach dieser Operation wirst du noch hübscher sein. Eines Tages wirst du deinem Mann eine wunderbare Frau sein.«
Ich hätte mich am liebsten sofort operieren lassen. Dann holte ich tief Luft und ermahnte mich zur Geduld.Ich musste den Glauben bewahren. Ich sprach ein stilles Gebet, in dem ich Allah dafür dankte, dass er mir den wunderbaren Weg dieser Operation eröffnet hatte. Nicht, damit ich so hübsch wäre wie Zeynab, sondern damit Baba und Malehkah sich nicht mehr so viele Sorgen wegen meiner Heirat machen mussten. Und damit meine Tage als Eselgesicht endlich gezählt waren.
Plötzlich hörten wir, wie jemand keuchte. Das konnte nur Malehkah sein, die sich die Treppe hinaufschleppte. Zeynab und ich standen auf.
Als Malehkah das Dach erreicht hatte, lehnte sie sich gegen die zur Treppe führende Tür.
»Du hättest nicht ganz
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