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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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protestierte ich.
    Zeynab streifte mir das rosa Kleid über und ich schob die Arme in die Ärmel.
    Als mein Kopf wieder zum Vorschein kam, stand Malehkah dicht vor mir und sah mich aus lodernden Augen an. »Hör gut zu, Zulaikha, und tu genau, was ich sage.« Sie hielt meine Schultern fest, während Zeynab hinten den Reißverschluss zuzog. »Du beantwortest alle Fragen, aber mehr sagst du nicht. Du tust alles, was sie verlangen. Keine Diskussionen. Hast du verstanden? Dein Vater und Najibullah werden dir helfen. Sei ein braves Mädchen. Gib acht.« Sie drückte mir den sauberen, weißen Tschador in die Hand. Ihre Augen verengten sich zu dem gewohnt grimmigen Blick, doch dabei klang sie nicht mürrisch, sondern besorgt. Aus irgendeinem Grund machte mir Malehkah mehr Angst, wenn sie nicht wütend war.
    Der Polizist auf der Zitadelle – er hatte mich aufgespürt. »Was ist denn los, Mada?«, fragte ich.
    »Pst«, sagte sie und drückte meine Schultern. »Nicht weinen. Sonst machst du dich zu einer …«
    Da stürmte Najib herein. »Ist sie endlich fertig?« Er sah mich an, legte mir eine Hand auf den Rücken und stieß mich zur Tür. »Los, komm. Wir müssen uns beeilen.«
    »Warum, Najib? Wohin geht es? Wo ist Baba?«
    Najib führte mich auf die Straße. Ich sah mich nach Zeynab und Malehkah um, die uns kurz nachschauten. Dann gingen sie hinein und schlossen die Tür zur Straße.
    »Najib?« Ich kämpfte gegen das Beben in meiner Stimme an.
    Er ging so schnell, dass ich fast rennen musste, undantwortete nicht sofort, sondern runzelte die Stirn und umging ein Schlagloch. Auf der Querstraße fuhr ein Junge auf einem Eselkarren vorbei.
    »Najib …«
    »Baba spricht in der Basis mit den Amerikanern«, stieß er hervor. »Sie wollen dich sehen.«

Vor der Baustelle am anderen Ufer hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Zwei große, hellbraune, mit Geschützen ausgerüstete Militärfahrzeuge wie jene, die ich neulich auf der Straße am Fluss gesehen hatte, waren drei Autolängen voneinander entfernt vorgefahren. Dazwischen parkte ein staubiger, roter Pick-up. Amerikanische Soldaten mit Helmen, Schutzwesten und großen Gewehren liefen zwischen den Fahrzeugen hin und her. Und wieder standen halb aus dem Fahrzeugdach ragende Männer hinter den Geschützen.
    Najib blieb vor einer niedrigen, zerbröckelnden Lehmziegelmauer stehen.
    Wie hatte es die Polizei geschafft, mir die Amerikaner so schnell auf den Hals zu hetzen? »Ich habe Angst, Najibullah.«
    Er wandte sich von den Soldaten und der Menge ab und blickte mich an. Dann ergriff er meine Hand. »Tu einfach, was sie sagen. Dann passiert dir nichts.« Er klang nicht sehr überzeugend.
    Was sollte ich tun? Ob Baba, Najib oder Malehkah – alle wollten, dass ich den Soldaten gehorchte. Und meiner Familie konnte ich selbst dann nicht entkommen, wenn ich vor den Soldaten floh. Baba verdiente viel Geld durch ihre Bauprojekte. Wenn ich die Amerikaner beleidigte,weil ich angstschlotternd vor ihnen stand, würde er vielleicht wütend werden. Und er wäre ganz bestimmt böse, wenn er von der Sache mit der Zitadelle erfuhr.
    Ich spannte meine Beinmuskeln an und ballte die Fäuste, um nicht mehr so zu zittern – umsonst. Es war wohl verständlich, dass ich mich vor diesen großen Soldaten mit ihren schweren Waffen fürchtete. Sie waren auf Brust und Rücken dick bepackt. Baba hatte erzählt, dass sie zum Schutz kugelsichere Westen trugen. Schutz wovor? Fast alle Taliban hatten sich aus dem Staub gemacht. Und wer außer ihnen wäre so dumm, gegen diese Männer zu kämpfen?
    Ich bedeckte meinen Mund mit dem Tuch, als Najib mich behutsam weiterschob. »Ich will nach Hause. Ich will nach Hause. Ich will nach Hause«, flüsterte ich.
    Meine Füße schienen mir nicht mehr zu gehören – ich wusste nicht, wie ich durch die Menschenmenge gelangte, die sich um die Amerikaner versammelt hatte. Anwar stand mit seinen Cousins auf der anderen Seite; ich erschrak kurz, als ich sie sah. Dann merkte ich, dass sie nur Augen für die Soldaten hatten, von denen sie Fußbälle und Radios haben wollten. Wie konnten sie so zwanglos mit diesen Männern umgehen? Warum hatten sie keine Angst?
    Vielleicht, weil die Soldaten nicht hinter ihnen her waren. Ich sah zu Najib auf und wünschte vergeblich, er würde mich nach Hause bringen. Er führte mich um eine tiefe Furche herum in die Nähe von Baba. Dieser stand neben dem schwarzen Soldaten, dem neulich auf der Uferstraße mein hässliches Gesicht

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