Inside Aldi & Co.
Penngrün findet «die rückständige Strategie durchaus bemerkenswert».
Eine Antwort erhielt Sue Penngrün alias Maria Z. nicht auf ihre freche Bewerbung. Sie arbeitet heute «sehr glücklich» und erfüllt bei einer Nicht-Regierungs-Organisation im Nachhaltigkeitsbereich.
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«Wes Brot ich ess, des Lied ich sing»
Edeka im Umbruch
Edeka macht gute Fernsehwerbung. In amüsanten und einprägsamen Spots beraten Mitarbeiter die Kunden mit einem freundlichen Lächeln. Sie sind gut gelaunt, hilfsbereit und kompetent. Und sie lieben natürlich Lebensmittel. Aber liebt Edeka auch seine Mitarbeiter?
Was mir ein Insider während meiner Recherchen berichtet, lässt anderes vermuten: «Meine Tätigkeit bei Edeka ist stark auf die Lebensmittel, auf die eigentlichen Produkte, fokussiert. Die Ware steht im Mittelpunkt. Tatsächlich verfügen die Edeka-Märkte über wesentlich größere Stellhebel als zum Beispiel Aldi-Filialen, wie sie den Umsatz erhöhen können. Trotzdem muss ich mich angesichts des Wettbewerbs auch um niedrige Personalkosten und gute Inventuren kümmern. Paradoxerweise treibt Edeka über die eigene Discountertochter Netto diesen Wettbewerb maßgeblich voran, und wir schaden uns mit einem De-facto-Vollsortiment auch bei Netto letztlich selbst. Viele ehemalige Aldi- und Lidl-Leute sind bei uns untergekommen. Die Discounter gelten als eine Art Kaderschmiede der Branche. Wer dort gearbeitet hat, hat keine großen Schwierigkeiten, innerhalb des Handels unterzukommen. In anderen Bereichen, sagen mir zumindest Headhunter, ist es hingegen fast unmöglich.
Der Ton und die Kultur hier sind nicht so hart wie bei Discountern, aber die Methoden sind im Grunde dieselben. Als wir zum Beispiel einen Kündigungsprozess gegen eine Verkäuferin verloren hatten, sagte mein Chef zu mir: ‹Kein Problem, dann stellen wir die Alte halt wieder ein und hauen sie bei nächster Gelegenheit wieder raus.› Was bei Discountern notfalls mit einer hohen Abfindung vermieden wird, sieht man bei Edeka etwas entspannter. Die Arbeitszeiten unseres Personals werden erfasst wie fast überall im Einzelhandel. Ruhezeiten, Pausen und maximale Arbeitszeiten werden auch nur da genau genommen, wo es Betriebsräte gibt. Der Druck auf die Beschäftigten nimmt seit Jahren zu. Überbelastung, Stress und Burnout stehen auch bei uns auf der Tagesordnung.
Wir zahlen in den Regiemärkten Tariflohn, aber die Gehaltsstrukturen sind sehr intransparent. Wer wie viel verdient, wird bewusst geheim gehalten. Einerseits um Neid zu verhindern, andererseits weil viele Mitarbeiter weniger erhalten, als ihnen eigentlich zusteht. Über Jahre hinweg wurden Mitarbeiter falsch eingruppiert. Hauptsächlich über Tricksereien bei der Zugehörigkeit zum Unternehmen: mit der Betriebszugehörigkeit steigt die tarifliche Eingruppierung und damit der Stundenlohn. Wir ändern das oft nur auf Nachfrage des Mitarbeiters oder wenn uns ein ‹allzu schlechtes Gewissen› plagt.»
Ein weiterer, ranghöherer Manager dazu: «Egal, ob bei Umsatz, Kosten oder Gewinn, die Frage lautet neuerdings immer: ‹Warum kann das der Private und wir können es nicht?› Dann werden die ganzen Erfolge von selbständigen Unternehmern aufgezählt, die vielen Insolvenzen und gescheiterten Einzelhändler erwähnt niemand. Früher waren wir in den Regiebetrieben die Könige, haben auf die selbständigen Einzelhändler herabgesehen. Aber der Wind hat sich seit ein paar Jahren komplett gedreht. Im Grunde ist das hier ein sinkendes Schiff. Die Stimmung ist dementsprechend schlecht. Wir privatisieren uns selbst weg. Jeder meiner Kollegen, auch ich selbst, ist entweder auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber oder hält Ausschau nach einem interessanten Markt, den er selbst übernehmen kann.»
Endzeitstimmung also in den sogenannten Regiebetrieben, die selbständigen Kaufleute übernehmen wieder das Ruder.
Unter welchem Druck die Edeka-Regiemärkte stehen und wie sie ihn weitergeben, zeigt eine Art Neujahrsschreiben, das mir zugespielt wurde, unter der Überschrift «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing». Es wurde abgesendet von zwei regionalen Geschäftsführern an 4000 Mitarbeiter. Das neue Jahr, leiten sie ihren Brandbrief ein, sei noch jung und es sei eine gute Zeit für gute Vorsätze. Ein ganz banaler, keineswegs zu unterschätzender Vorteil, bei Edeka zu arbeiten sei, dass «das Gehalt pünktlichst am Monatsende auf dem Konto ankommt». Einen weiterer Vorteil fällt ihnen
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