Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Straub
Vom Netzwerk:
und einem langen, noch bevorstehenden Weg:
    «Ich bin mir oft vorgekommen wie in einer Kleinstadt, in der alle außer mir die große Aldi-Spritze bekommen haben. Auf den unteren Rängen nette Frauen, die ab und zu mal lachen, sich aber im Grunde wie Roboter verhalten. Die obersten Chefs männlich, von sich selbst eingenommen und nicht gerade Spezialisten ihres Fachs. Sie haben meistens gelernt, Kassierer zusammenzuscheißen, aber nicht unbedingt, konzeptionell zu arbeiten. Obwohl die Corporate-Responsibility-Abteilung keinerlei Kundenkontakt hatte, waren Jeans mir strikt verboten. Mehr als zwei Farben zu tragen war «nicht gewünscht». Eine Kollegin von mir wurde darauf angesprochen, als sie einen roten Pulli und einen grünen Schal trug. Ich hatte einmal rote Schnürsenkel in schwarzen Schuhen, das ging natürlich gar nicht. Auch Nagellack war tabu. Ausgenommen durchsichtiger. Das Büro der Assistentinnen musste immer offen bleiben, da man davon ausging, dass die sich generell nicht benehmen können und immer zurechtgewiesen werden mussten. Auch ich kam mir ständig beobachtet vor. Einmal habe ich ein sogenanntes «Tür-zu»-Gespräch bekommen, weil ich anscheinend eine falsche Sitzhaltung am Arbeitsplatz hatte. Meine Vorgesetzte sagte: «Ihre Sitzhaltung entspricht nicht der aldi-üblichen Betriebsamkeit».
    Die Assistenten müssen nicht nur im Büro besondere Talente zeigen, sondern auch in der Küche etwas leisten können. Für einige interne Meetings sind sie nämlich auch für das Essen(machen) zuständig. Maria Z.: «In einer Urlaubsvertretung hatte ich selbst so ein Meeting vorzubereiten. Ich vergaß den Nachtisch: Aldi Süd Joghurt. Als der Geschäftsführer nachfragte, ob es Nachtisch gäbe, und ich verneinen musste, starrten mich ungläubige Augen an. Ich dachte, jetzt schmeißen sie mich raus. Das passierte nicht, aber der Fall ging als ‹Jogate-Affäre› in die Geschichte ein.
    Mit Kollegen zu sprechen war ‹nicht gewünscht›. Deshalb habe ich mit einer Kollegin, wir verstanden uns auch privat gut, E-Mails hin und her geschickt. Sie kündigte kurz vor mir, löschte vorher aber noch die meisten Mails, bis auf ein paar wenige, die sie vergessen hatte. Am Tag nach ihrer Kündigung durchforstete eine Managerin ab 7 .30  Uhr früh sofort die gesamten E-Mails, und ich musste um 9 .30  Uhr zu einem ‹Tür-zu›-Gespräch. Zum Glück war nur noch eine E-Mail von mir da, in der es um ein Wärmekissen ging, das von meiner Chefin als ‹störend› moniert worden war. Dafür durfte ich mich dann eine Stunde lang rechtfertigen.
    Das Highlight: bei Aldi tranken alle aus den gleichen Tassen. Da ich diese unnütze Regel übergehen wollte, brachte ich, zugegeben provokant, eine Tasse mit dem Aufdruck ‹Queen of fucking everything› mit. Natürlich fiel das gute Stück auf, und ich wurde darauf in einem ‹Tür-zu›-Gespräch von einer Managerin hingewiesen. Mein Vorschlag, eine Tasse mit Weihnachtsaufdruck, wahlweise Tannenbäume oder Nikoläuse, zu benutzen, konnte nicht sofort beantwortet werden. Das musste erst auf Geschäftsleitungsebene entschieden werden. Ich bekam den Sonderwunsch dann aber genehmigt.»
     
    Einige Monate nach ihrem Abgang bewarb sich Maria Z. erneut in der Aldi-Zentrale, diesmal für eine höhere Managementposition. Sie hatte ihre Erlebnisse verarbeitet und logische Schlussfolgerungen gezogen. Mit neuem Mut startete sie einen neuen Anlauf – oder war es doch nur Rache für den zwangsweisen Umstieg von der «Queen of fucking everything»- auf die Weihnachtsmann-Tasse?
    Unter dem Pseudonym «Sue Penngrün», wohnhaft in der Stasi Straße  123 in 38412 Brechen, bemühte sich Maria Z. initiativ um eine Stelle, da sie «seit einiger Zeit die Entwicklungen in Richtung Unternehmensverantwortung bei Aldi Süd» beobachte. Als ihre Stärken preist Sue Penngrün im Anschreiben: «Keine eigene Meinung haben, Anweisungen ohne Nachfrage umsetzen, Dienst nach Vorschrift, gerade am Schreibtisch sitzen, mich bedingungslos unterordnen, Intrigen und Mind Games». Sie habe zwar keine Erfahrung in der Personalführung, sei sich aber sicher, dass ihr dieser Mangel keine Nachteile bringe, denn: «Aus sicherer Quelle weiß ich, dass bei Ihnen moderne Personalführung keine Rolle spielt.» Teamwork sei ihr nicht wichtig, sie arbeite lieber alleine und finde, dass es von Schwäche zeuge, Kollegen um Rat oder Hilfe zu bitten. Unternehmensverantwortung sei keine Notwendigkeit, sondern ein «Nice-to-have».

Weitere Kostenlose Bücher