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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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Intelligenz wirklich auf sich hatte, genug Raum für eigene Versionen der Anonymous-Geschichte – genauso wie Topiary, als er AnonOps verlassen wollte, eine vage Geschichte dazu erdacht hatte, wie er Opfer eines Cyberangriffs geworden war.
    Anonymous war nicht nur eine Gruppe oder eine Entwicklung; es war auch eine Geschichte, die sich die Leute über die Gegenreaktionen des Internets erzählten. Um Schlagzeilen zu machen, mussten Anons nur eine Drohung twittern. Die Macht von Anonymous entsprach der Macht des Mythos. Anonymous war ein Beispiel für die Manipulation des Social Engineering, und das auf Massenbasis. Es unterschied sich gar nicht so sehr von Kayla selbst.
    In den vergangenen Jahren hatte die Online-Persönlichkeit Kayla gegenüber ihren Freunden unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wer sie im echten Leben sei. Sie ließ sie ihre wahre Identität wie ein Puzzle zusammensetzen. Ein Teenagermädchen, das seinen Vater hasste; ein Teenagermädchen, das seinen Vater liebte. Irgendwann interessierten sich die Hackerkollegen nicht mehr für die Wahrheit. »Wir haben ihr gesagt, sie soll uns lieber anlügen«, erinnerte sich ihre alte Freundin Laurelai. »Wir mochten ihre Geschichte. Es war uns egal, ob sie stimmte oder nicht.« Wie für Kinder, die den Zauber des Weihnachtsmanns noch ein wenig weiterleben lassen wollen, obwohl sie seine Existenz bereits anzweifeln, war Kaylas Geschichte für die Hackerfreunde wichtiger geworden als die Wahrheit.
    Dieser Zwiespalt äußerte sich auch in der anhaltenden Auseinandersetzung innerhalb Anonymous: Wie sollte man den Anspruch auf Anonymität und die damit einhergehenden Lügen mit dem Bedürfnis nach Vertrauen vereinbaren? Die ständigen Lügen korrumpierten die Menschen, entfernten sie von der Realität, und nach Laurelais eigener Erfahrung »verzerrten« sie zudem die Moral. Wer andere andauernd belog, konnte sich nur schwer daran erinnern, was er eigentlich einmal hatte erreichen wollen. Sogar Sabu begann seine eigenen Lügen zu glauben, indem er gegenüber der Polizei behauptete, er sei ein FBI-Agent.
    Während der Operation Payback hatten sich Tausende neuer Freiwilliger auf die Aussagen von AnonOps-Operatoren verlassen, die behaupteten, die LOIC zu benutzen könne nicht zu Verhaftungen führen. Das war sicher naiv von den Freiwilligen, aber es war auch viel Manipulation dabei – oder zumindest ein massiver Interessenkonflikt. Die Operatoren in #command hatten sich still und leise auf die Idee eingeschossen, WikiLeaks zu rächen, weil es jede Menge Publicity für ihr neues Chatnetzwerk bringen würde. Sie strebten nach dem Ruhm, dass Tausende ihre Kanäle besuchten und ihre Anweisungen befolgten. Dann schlugen die Botmaster gegen PayPal, MasterCard und Visa los und demonstrierten ihre Macht. Das nahmen die Tausenden freiwilligen Mitstreiter aber gar nicht wahr. Sie glaubten, sie seien ein Teil eines digitalen Sit-ins, für einen in ihren Augen guten Zweck. Ähnlich hatten auch Gregg Housh und sein #marblecake-Team 2008 angenommen, sie würden den größten Streich aller Zeiten anführen – doch Chanology hatte sich am Ende in ernsten Aktivismus verwandelt. In vielerlei Hinsicht konnte Anonymous wie Betrug sein: bei dem Leute, die von der Kameradschaft, dem Lernen und den neuen Erfahrungen angezogen werden, am Ende desillusioniert von der Desorganisation, den großen Egos und der ernüchternden Realität einer Verhaftung zurückbleiben. Aber Anonymous war auch noch etwas anderes: ein Zugang zu politischem Aktivismus, ein merkwürdiges, aber doch verlockendes Heilmittel für die Apathie unter Jugendlichen in der heutigen Echzeit-Gesellschaft.
    Mit diesen Themen beschäftigte Anonymous sich langfristig. Wie sich die Dinge entwickelten, konnte kein Einzelner bestimmen, sondern es war ein gemeinsames Bestreben. Angehörige der aktuellen Anonymous-Generation verließen die Gruppe, weil sie genug von dem Theater um Sabu hatten. Doch es kamen viele Neue, die ihren Platz einnahmen und Änderungen einführten. Und einige, darunter Hacker, die bei #InternetFeds dabei waren, blieben Anonymous erhalten. Manche sind bis heute dabei.
    »Sie haben Kayla immer noch nicht geschnappt«, sagte Emick am 6. März, dem Tag, an dem Sabu enttarnt wurde. »Es ist ein achtzehnjähriger Junge aus Kalifornien.« Sie lachte und ging wieder online. Emick fuhr mit ihren Ermittlungen fort und versuchte herauszufinden, wer Kayla wirklich war. Sie war überzeugt, es handle sich um einen

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