Inside Occupy
undurchdringbare Bastion unbezahlter Assistentenstellen und Praktika solche Berufe für immer außerhalb der Reichweite all jener, die nicht über die Mittel verfügen, um einige Jahre in New York oder San Francisco wohnen zu können. Und das schließt, ganz offensichtlich, jeden Spross einer Arbeiterfamilie aus. In der Praxis bedeutet das nicht nur, dass die Kinder dieser (exklusiven, zunehmend unter sich heiratenden) Klasse mondäner Intellektualität in der amerikanischen Arbeiterklasse primitive Höhlenbewohnersehen, was an sich schon mehr als ärgerlich ist, sondern obendrein ein cleveres System entwickelt haben, sämtliche Berufe, in denen sich nicht nur ein anständiges Leben verdienen, sondern etwas Selbstloses oder Edles verfolgen ließe, für die eigenen Kinder zu reservieren. Wenn also der Tochter von besagtem Monteur nach einer Laufbahn sein sollte, bei der sie einer über sie hinausreichenden Berufung nachgehen kann, so hat sie nur zwei realistische Optionen: einen Job bei der Kirche am Ort oder beim Militär.
Genau das war, davon bin ich überzeugt, das Geheimnis der merkwürdigen Ausstrahlung von George W. Bush, einem Mann aus einer der reichsten Familien Amerikas, der immer den Eindruck erweckte, er sei eher unter Soldaten als unter Professoren zu Haus. Der militante Antiintellektualismus der populistischen Rechten ist mehr als die Ablehnung der Autorität der akademisch-geschäftsführenden Klasse (die für die meisten Amerikaner höchstwahrscheinlich weit unmittelbarer Macht über ihr Leben hat als ein CEO), sie ist auch ein Protest gegen eine Klasse, die ihrer Ansicht nach ein Monopol auf die Mittel für ein Leben zu bekommen versucht, das irgend etwas anderem als dem materiellen Eigennutz gewidmet sein könnte. Die Verständnislosigkeit der Liberalen ob ihres scheinbaren Handelns wider die ureigenen Interessen auch noch ausgedrückt zu sehen – verschmähen diese Leute doch tatsächlich die kargen materiellen Brosamen der demokratischen Kandidaten –, macht das vermutlich alles nur noch schlimmer.
Die Falle für die Republikanische Partei besteht natürlich darin, dass sie sich dadurch, dass sie dem Populismus der weißen Arbeiterklasse in die Hände spielt, für immer der Möglichkeit begibt, einen wesentlichen Teil der demokratischen Kernwählerschaft für sich zu gewinnen: Afroamerikaner, Latinos, Einwanderer sowie Kinder von Einwanderern der zweiten Generation. Denen nämlich ist (obwohl auch sie überwiegend gläubige Christen und ihre Kinder in den Streitkräften überproportional vertreten sind) diese Art von antiintellektueller Politik schlicht verhasst. Kann sich jemand wirklich vorstellen, irgendein afro-amerikanischer Politiker würde die antiintellektuelle Karte derart konsequent ausspielen wie George W. Bush? So etwas wäre undenkbar. Die demokratischen Kernwähler nämlich sind nicht nur Bürger mit einem ausgeprägteren Selbstverständnis von sich als Träger von Kultur und Gemeinschaft, sie sehen überdies, und das ist entscheidend, Bildung immer noch als einen Wert an sich.
So ist es in der amerikanischen Politik zu dem derzeitigen Patt gekommen.
Jetzt denken Sie mal an all die Frauen (größtenteils weiße Frauen), die ihre Geschichten auf der »Wir sind die 99 Prozent«-Seite gepostet haben.Vom eben dargestellten Blickwinkel aus kann man sich kaum vorstellen, dass sie irgendetwas anderes zum Ausdruck bringen sollten als einen analogen Protest gegen den Zynismus unserer politischen Kultur – selbst wenn der hier die Form der absoluten Minimalforderung annimmt: ein Leben führen zu dürfen, in dem man helfen, lehren oder sich um andere kümmern kann, ohne dabei die Möglichkeit zu opfern, für die eigene Familie sorgen zu können. 24 Und mal ehrlich, ist »unterstützt unsere Lehrerinnen und Krankenschwestern« etwa als Slogan weniger legitim als »unterstützt unsere Soldaten«? Und ist es ein Zufall, dass so viele ehemalige Soldaten, Veteranen der Kriege im Irak und in Afghanistan, sich zu einer Beschäftigung in ihren Kommunen und Stadtteilen hingezogen fühlen?
Indem sie sich direkt unter den Augen der Wall Street versammelten und auf den Prinzipien von Demokratie, gegenseitiger Fürsorge, Rückhalt und Solidarität eine Gemeinschaft ohne Geld aufbauten, forderten die Besetzer in einem revolutionären Akt dazu auf, der Macht des Geldes den Kampf anzusagen – einer Macht des Geldes, die darüber entscheidet, worum es in unserem Leben gehen soll. Es überrascht denn
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