Inside Occupy
abhalten.« Es ist wichtig, jedem, der beiseitetritt, die Möglichkeit zu einer Erklärung seiner Gründe dafür zu geben.
b. ob es ein Veto gibt, mit anderen Worten ob jemand den Vorschlag blockieren will. Ein Veto ist keine »Nein«-Stimme. Es lässt sich vielleicht am besten so sehen, dass es jedem in der Gruppe die Möglichkeit gibt, vorübergehend die Robe eines Bundesrichters anzulegen und ein Gesetz abzuschießen, das ihm verfassungswidrig vorkommt – oder in unserem Fall den fundamentalen Prinzipien von Einheit oder gemeinsamer Zielsetzung der Gruppe zuwiderläuft . 3
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit einem Veto umzugehen. Am einfachsten ist es natürlich, den Vorschlag fallen zu lassen. Der Moderator könnte denjenigen, der den Vorschlag blockiert, darum bitten, sich mit denen zusammenzusetzen, die ihn gemacht hatten – sich zum Beispiel der betreffenden Arbeitsgruppe anzuschließen, um zu sehen, ob man sich nicht auf einen vernünftigen Kompromiss einigen kann. Manchmal, insbesondere wenn andere das Gefühl haben, das Veto sei nicht gerechtfertigt (etwa: »Ich find’s nicht antisemitisch, das Meeting am Freitagabendzu machen, auch wenn dann der Schabbat beginnt. Die meisten von uns hier sind Juden, und uns ist das egal!« 4 ), besteht eventuell die Möglichkeit, das Veto anzufechten. Zum Beispiel könnte man fragen, ob noch wenigstens zwei weitere Mitglieder der Gruppe bereit sind, den Kompromiss mitzutragen. (So sprechen wir manchmal von »Konsens minus eins« oder »Konsens minus zwei«.) Oder, falls es sich um eine große Gruppe handelt, kann es manchmal eine ganz gute Idee sein, eine Rückzugsposition zu haben: Wenn man davon ausgehen kann, dass die meisten – ungeachtet des Blocks – weitermachen wollen, lässt sich auf eine qualifizierte Mehrheit (Supermajority) zurückgreifen, etwa einen Zwei drittel-Mehrheitsbeschluss .
Bei unserem ersten Meeting am 2. August entschieden wir uns zum Beispiel zu einem »modifizierten Konsens«, bei dem wir im Falle eines toten Punkts auf eine Zweidrittelmehrheit zurückgreifen wollten; später dann jedoch einigte sich die Vollversammlung angesichts des festzustellenden Wachstums der Bewegung per Konsens auf eine Rückzugsposition von 90 Prozent, weil die Zweidrittelquote dazu geführt hätte, dass Vorschläge mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Vetos durchgekommen wären. Es ist jedoch wichtig, nicht automatisch darauf zurückzugreifen. Wenn jemand einen Vorschlag blockiert, steckt dahinter in der Regel ein Verfahrensfehler, da können legitime Bedenken erhoben worden sein, um die man sich nicht gekümmert hat, und die Gruppe tut womöglich gut daran, sich noch mal mit dem Vorschlag zu befassen. Aber natürlich bleibt einem hin und wieder nichts anderes, als auf solche Mittel zurückzugreifen, vor allem bei sehr großen Gruppen.
Einige Punkte sollten hier rasch geklärt werden, da sie oft zu Verwirrung und damit zu Problemen führen.
Einer davon ist, dass sich ein Veto schlecht auf die gemeinsame Zielsetzung der Gruppe berufen kann, wenn die Gruppe keine solche gemeinsame Zielsetzung hat. Es ist deshalb immer eine gute Idee, sich so rasch wie möglich darauf zu einigen, weshalb es die Gruppe überhaupt gibt und was sie zu erreichen versucht. Am besten hält man das so einfach wie möglich. Es ist außerdem wichtig, so etwas zu formulieren und nie zu vergessen, dass jede Aktivistengruppe existiert, um auf die eine oder andere Weise die Welt zu verändern, und dass diese Prinzipien sowohl reflektieren sollten,
was
die Gruppe zu erreichen und
wie
sie es zu erreichen versucht – und das so, dass die Ziele und Mittel so eng wie nur möglich miteinander harmonieren. Aber die Hauptsache ist, das Ganze einfach zu halten. So ist es zum Beispiel viel einfacher, zu schreiben: »Wir sind gegen alle Formen gesellschaftlicher Hierarchie und Unterdrückung«, als jede einzelne Form von gesellschaftlicher Hierarchie und Unterdrückung aufzulisten, die einem so einfallen will.
Solche Erklärungen des gemeinsamen Ziels haben nicht nur den Vorteil, dass sich damit Vetos klarer begründen lassen, sie ermöglichen es obendrein wohlmeinenden Teilnehmern, alle anderen periodisch daran zu erinnern, weshalb sie dabei sind. Man kann sich kaum vorstellen, wie hilfreich das bei der Konfliktlösung ist, da Menschen in Augenblicken leidenschaftlichen Konflikts gern mal vergessen, wieso sie zusammenge kommen sind.
Was uns zum nächsten Punkt bringt: Konflikte sind an sich
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