Inside Polizei
als Anlass für diesen Großeinsatz. Nachdem der Großteil der erwarteten Gäste eingetrudelt war, schnappte die Falle zu. Bei vielen Kollegen herrschte Anspannung und eine innere Unruhe vor, sie kannten Hells Angels nur aus dem Fernseher oder von Geschichten der Kollegen. Die Einsatzleitung steuerte auch nicht viel zur Entspannung der Situation bei, da sie von Widerstandshandlungen der Rocker ausging und deswegen das SEK anforderte.
Mit einer gesteigerten Anspannung nahmen wir unsere Ausgangspositionen ein. Auch bei mir machte sich eine ungewisse Neugierde breit. Wie würde dieser Einsatz verlaufen? Würden die Rocker kooperieren? Hatten sie Waffen oder Drogen zur Party mitgebracht? Würden sie bei polizeilichen Maßnahmen Widerstand leisten, käme es vielleicht sogar zu einer handfesten Schlägerei? Und wie würde sich Frank H. verhalten? Um 23.00 Uhr erfolgte das Go. Das Vereinsheim und das gesamte umliegende Gewerbegebiet wurden hermetisch abgeriegelt und schlagartig besetzt. Jeder einzelne Rocker und ihre Fahrzeuge wurden durchsucht, die Personalien festgestellt und abgefragt. Insgesamt 67 Personen, darunter 19 Frauen, im Alter von 17 bis 59 Jahren. Von den sich erst einmal spektakulär anhörenden 13 vorläufigen Festnahmen entfielen zwölf lediglich auf eine Festnahme zur Identitätsfeststellung, da die Verhafteten keinerlei Ausweispapiere mitführten. Ein Rocker verdankte seiner Festnahme einem waffenscheinpflichtigen Messer, das war es schon. Insgesamt ein doch eher dürftiges Ergebnis dieses Großeinsatzes in einer Samstagnacht mit 150 Polizisten. Lediglich die Polizeicomputer erhielten Nahrung und wurden mit 67 Datensätzen über Personen gefüttert, die aber eh schon polizeilich bekannt gewesen sein dürften.«
Uwe: »Und, hast du Frank H. persönlich kennengelernt?«
»Na ja, kennengelernt ist sicher übertrieben. Ich habe darauf geachtet, dass ich während der Razzia so nah wie möglich an ihn rankomme, aber die Überprüfung durch andere Kollegen lief schon. Er ließ die Kontrolle zwar völlig ruhig über sich ergehen, seine Abneigung gegen die uniformierten Störenfriede war ihm aber deutlich anzusehen. Während seiner Personalienüberprüfung schweifte sein Blick umher, und unsere Blicke trafen sich. Seine Augen wirkten kalt und ablehnend, aber ich guckte neutral. Kurz darauf sprach ihn der Kollege an, und unsere Blicke trennten sich. Das war ’ s.«
Uwe: »Wie, kein Smalltalk? Kein ›Coole Tätowierungen haben Sie‹? Oder ›Ich hab gehört, Sie schlagen einen hammerharten Uppercut?‹«
Alle lachten und malten sich diese irreale Szene aus. Sie alberten herum und spielten ein vermeintliches Gespräch zwischen Christian und dem Rockerkönig nach und prosteten sich dann mit dem nächsten Wodka zu.
»Tja, einer dieser Einsätze ist ja noch nachvollziehbar, doch das veranstalten wir jetzt jeden Monat, wenn auch vom Kräfteeinsatz in abgespeckter Form. Etwa alle vier Wochen findet in dem Vereinshaus eine Open-House-Veranstaltung statt. Eine Party am Wochenende mit Bier, Musik und Barbecue für Freunde und Unterstützer des Clubs oder solche, die es werden wollen. Wir bauen dann jedes Mal einen mit Flutlichtwagen komplett ausgeleuchteten Kontrollposten auf und winken jedes Bike und jeden Pkw in die Kontrollstelle. Alle Autos und Personen werden durchsucht und anschließend die Daten durch das polizeiliche Fahndungssystem gejagt. Aber damit nicht genug, sämtliche erfassten Daten wandern ohne Wissen der Betroffenen an eine dafür extra eingerichtete Führungsstelle, die im Polizeipräsidium Münster angesiedelt ist. Dort erfassen und werten Polizeibehörden alle Daten über Hells Angels in Nordrhein-Westfalen zentral aus und archivieren sie dort letztendlich.
Die Kontrollen verlaufen beinah zu 100 Prozent ergebnislos. Ein kleines Tütchen Marihuana für den Feierabendjoint und ein liegen gebliebener Teleskopschlagstock waren schon die absoluten Highlights, und das bei Einsatzstunden, die sich schnell in die Hunderte, wenn nicht Tausende summieren. Ansonsten herrscht hier aus polizeilicher Sicht tote Hose. Wir opfern unsere Wochenenden blankem Aktionismus.«
Ralfs Gesicht verfinsterte sich, und er setzte eine kritische Miene auf. Zum ersten Mal brachte er sich in die Diskussion mit ein. Er war schon immer der Vernünftigste, der Sachlichste von ihnen gewesen und durch und durch Polizist. Beim Thema Hells Angels deckten sich seine Meinung und seine Berufserkenntnisse nicht mit denen seiner
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