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Inside Polizei

Inside Polizei

Titel: Inside Polizei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Protestinitiative »X-tausendmal quer« verteilte ihre neue Blockadebroschüre. Dort wurden praktische Tipps erteilt, unter anderem eine »Anleitung zum Sitzenbleiben«. Doch es blieb nicht nur bei reiner Theorie, die Initiative trainierte potenzielle Demonstranten und Blockierer auch im richtigen Demonstrieren und vor allem im wirkungsvollen Blockieren. Die Protestierer machten keinen Hehl aus ihren Absichten: Sie wollten den Atommülltransport verhindern oder zumindest so lange wie möglich aufhalten und gleichzeitig die Sicherheitskosten des Einsatzes in astronomische Höhen treiben. Die erst kurz vorher von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke und die daraus resultierenden zusätzlichen Milliardengewinne der vier großen Energiekonzerne dienten nicht gerade einer Beruhigung der Lage.
    Die Autonomen aus dem linksradikalen Spektrum gingen wie so oft einen Schritt weiter, unverhohlen riefen sie auf einschlägigen Internetseiten zum Schottern auf. Dies bedeutet das Aushöhlen von Bahngleisen, um ein Passieren des Castor-Transports zu verhindern, wobei jedoch das Risiko eines Entgleisens des Zuges in Kauf genommen wird. Juristisch stellt allein diese Aufforderung eine Straftat dar, weil Schottern ein strafrechtlich relevanter Eingriff in den Bahnverkehr bedeutet. Trotz der angedrohten juristischen Konsequenzen verbreiteten diese Internetseiten aber ihre Appelle weiter.
    Doch nicht nur Atomkraftgegner tummelten sich in diesen Foren, auch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt registrierten diese Appelle. Die Behörden überwachten die einschlägigen Internetforen und Newsletter und erstellten daraus und mit zusätzlichen Erkenntnissen ihrer V-Männer in der Szene Strategie- und Lagebeurteilungen über das Mobilisierungs- und Gewaltpotenzial der diesjährigen Anti-Atom-Bewegung.
    Diese Lagemeldungen erreichten über das Landesinnenministerium auch Marius und seine Kollegen in der Einsatzhundertschaft. Die Meldungen häuften sich und trafen in immer kürzeren Abständen in den Dienststellen der eingeplanten Einheiten ein. Diese wurden über die voraussichtliche Anzahl der erwarteten Demonstranten im Wendland und die Reisebewegungen der Autonomen speziell aus den Städten Berlin und Hamburg informiert. Nach Marius’ Erfahrungen waren diese Zahlen oft zu hoch angesetzt und bewahrheiteten sich im Einsatz nicht, doch diesmal lagen die Sicherheitsbehörden mit ihrer Einschätzung sehr nah an den späteren realen Zahlen. Es wurde mit 30 000 Demonstranten gerechnet, davon 5000, die sich erklärtermaßen an Störaktionen beteiligten wollten, und 300 gewaltbereite Autonome.
    Auch die Einsatzhundertschaften bereiteten sich wieder einmal gewissenhaft auf diesen Großeinsatz vor. Übungen und Trainingseinheiten füllten jede freie Minute der Dienstpläne, ein Teil der Übungen fand draußen im freien Gelände statt und beinhaltete Räumungen und das Wegtragen von Blockierern. Der zweite Teil wurde in der Trainingshalle unterrichtet mit dem Schwerpunkt auf Selbstverteidigung, Stock-, Griff- und Tragetechniken. Die Nahkampfausbilder frischten alte Kenntnisse auf und vermittelten neue gezielte Kniffe, falls ein Blockierer nicht so funktionieren wollte, wie die Polizisten es wollten. Die Mittel und Wege, dieses »Funktionieren« zu erreichen, waren einfach, aber sehr effektiv. Speziell anzuwenden bei extrem klammernden Blockierern, die partout nicht ihren Nebenmann oder das Gleis loslassen wollten.
    Oft und leicht anzuwenden ist das schmerzhafte Hochreißen der Nase. Mit einer Hand drückt der Beamte die empfindliche Nasenspitze des Betroffenen gegen seinen Schädelknochen nach oben – der Nasenhebel. Der entstehende starke und sehr unangenehme Schmerz lässt den Demonstranten sogleich die Anordnungen des Polizisten befolgen. Der Beamte sollte allerdings darauf achten, die unteren Finger seiner Hand für diesen Griff zu benutzen, um es dem Störer nicht zu ermöglichen, kraftvoll in die Finger über seinem Mund zu beißen.
    Nummer zwei der effektivsten Griffe nutzt die Nervenstränge, die im Schädelknochen hinter den Ohren verlaufen. In diese Nervenbahnen bohrt der einschreitende Polizist seine beiden Zeigefinger so lange, bis seine Anweisungen befolgt werden. Die Nervendrucktechnik.
    Abseits von Fernsehkameras und Pressefotografen können der Schmerz und die Wirksamkeit beider Griffe mithilfe eines Kugelschreibers, anstatt der Finger der Polizisten, um ein Vielfaches erhöht werden.

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