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Inside Polizei

Inside Polizei

Titel: Inside Polizei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Schleppens war es schließlich vollbracht, die Blockade war aufgelöst, und der Castor-Transport konnte sich wieder in Bewegung setzen. Doch der Einsatz war noch nicht für alle Einheiten beendet. Die fast 1000 Blockierer wurden stundenlang in der provisorischen GESA festgehalten, bis der Zug mit 24 Stunden Verspätung den Verladebahnhof Dannenberg erreicht hatte. Dementsprechend zahlreich war das immer noch im Einsatz befindliche Polizeiaufgebot.
    Marius’ Hundertschaft wurde nach 28 Stunden Dienst entlassen. Die Beamten waren am Ende ihrer Kräfte und fuhren wortlos in die Kaserne zurück. Selbst auf ein Auskühlen des überhitzten Containers verzichteten sie diesmal. Sie wollten nur noch schlafen.
    Der Wecker klingelte um 1500. Aufstehen, aufrüsten, essen und Toilette, ab 1800 wartete die Hundertschaft in Einsatzbereitschaft auf neue Befehle. Der erste Befehl erreichte sie unmittelbar beim Aufstehen – Schutzmontur anlegen.
    In der Zwischenzeit wurden die Castor-Behälter auf Lkws umgeladen. Jetzt drohte die Auseinandersetzung endgültig zu eskalieren, denn die 19 Kilometer zum Zwischenlager Gorleben stellten immer den am schwersten umkämpften Streckenabschnitt dar.
    Der neue Befehl erreichte die Einheit um 1700 und sollte unverzüglich ausgeführt werden. Es existierten zwei verschiedene Straßen, die zum Atommülllager führen. Jedes Jahr aufs Neue startete ein großes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Blockierern, bei dem es darum ging, welche Straße letztendlich für den Castor-Transport benutzt wird. Finten werden gelegt und Gerüchte gestreut in der Hoffnung, die größtmögliche Verwirrung zu stiften. Eine der 19 Kilometer langen Strecken wurde komplett mit Kontrollposten besetzt, mit allem, was an Polizei vorhanden war. Lichtmastwagen der Polizei leuchteten jede Stelle der Strecke in der einbrechenden Dunkelheit taghell aus. Reiterstaffeln, Technische Züge, Mannschaftswagen und Streifenwagen, endlose Kolonnen von Hundertschaften und Wasserwerfern standen bereit, sicherten jeden Meter dieser Strecke ab. Alle paar hundert Meter wurden Kontroll- und Durchlassstellen eingerichtet. Die gesamten 19 Kilometer waren gesperrt. Alles deutete auf diese eine Strecke als Transportroute für die elf Castoren hin, aber das Ganze sollte sich als eine Finte der Einsatzführung erweisen. Denn der Transport rollte über die Alternativroute. Es war alles nur eine Riesenshow. Die völlig abgesperrte Strecke war menschenleer und wurde doch nicht genutzt. Eine Fehlentscheidung?
    Marius, seine Kollegen und Tausende Leidensgenossen sollten von 1800 über Nacht bis zum nächsten Morgen, geschätzte 17 Stunden, eine Straße bewachen und absperren, die nicht benötigt wurde. Ihre nervtötende, langweilige, eiskalte Nachtschicht diente einzig und allein der Irreführung von Demonstranten. Diese Erkenntnis löste nicht gerade einen Motivationsschub bei allen eingesetzten Kräften aus, glich jedoch vielen Großeinsätzen in der Vergangenheit.
    Am späten Abend, als die letzten Anrufe zu Hause bei den Liebsten getätigt waren, steuerte die eigentliche, die verborgene Hauptbeschäftigung von Polizisten bei eintönigen Einsätzen ihrem Höhepunkt entgegen – dummes Zeug labern! Erwachsene Männer entwickelten sich zu pubertierenden Teenagern zurück und versuchten, sich fortlaufend mit neuen Äußerungen, Mutmaßungen und Diffamierungen zu überbieten. Das Themenspektrum war weit gefächert und verschonte niemanden. Zuerst wurden Eigenarten, Aussehen, Sprachweisen und vermutete sexuelle Vorlieben von eingesetzten Kollegen, ganz besonders den weiblichen, thematisiert und abgearbeitet.
    Als Nächstes kamen die unbeliebten und vorgesetzten Beamten dran, wobei der eindeutige Schwerpunkt hier auf unterstellten abartigen Sexualpraktiken lag. Die zahlreichen und bildhaft geschilderten Variationsmöglichkeiten von Sodomie stellten nicht einmal die perversesten der angedichteten Praktiken dar. Als alle mehr oder minder Beteiligten der letzten Tage besprochen waren, nahmen sich Marius und seine Kollegen der wichtigsten Zielgruppe an, der Politiker. Vordergründig war die Beschäftigung mit bestimmten Politikern und Parteien nicht als politisches Statement gedacht, oder na ja, ehrlich gesagt, doch.
    Während die Uhr 0200 anzeigte, näherten sich ihre Blödeleien und ihr satirischer Showdown, in einer Mischung aus Louis de Funès und dem fiesesten Harald Schmidt, ihrem Zenit. Die Erste, die es traf, war Claudia Roth. Klar: Nervig, stets

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