Inside Polizei
allein auf eine vorhersehbare Tatsache in diesem behördlichen Beschaffungsalbtraum war Verlass: Die Kosten explodierten von ursprünglich kalkulierten fünf Milliarden Euro auf über zehn Milliarden.
Alle europäischen Nachbarn verwenden bereits seit Jahren einen flächendeckenden polizeilichen Digitalfunk, selbst der Pleitestaat Griechenland. Albanien war der letzte Staat, der seine Beamten mit diesem modernen Kommunikationsmittel ausstattete. Aktuell verfügen nur deutsche Polizisten nicht über diese technischen Fähigkeiten.
Vielleicht wäre sogar die Tragödie der Loveparade mit 21 Toten, über 500 Verletzten und Tausenden traumatisierten Menschen mit einem funktionierenden Polizeifunknetz zu verhindern gewesen ...
Die Realität in deutschen Streifenwagen stellt sich folgendermaßen dar: Es gibt ein veraltetes analoges Funkgerät, daneben befindet sich bereits die Vorrichtung für die digitalen Geräte, die jedoch noch nicht funktionstüchtig sind, und seit einiger Zeit ein dienstliches Handy, mit dem mittlerweile der Großteil der polizeilichen Arbeiten bewältigt wird.
Wie dem auch sei, das Festnetztelefon des Wachhabenden der Polizeiinspektion klingelte, und er griff zum Hörer. Der Dienstgruppenleiter der Einsatzleitstelle war nicht zum Scherzen aufgelegt, wie der Wachhabende unschwer am Tonfall seines Vorgesetzten bemerken konnte. Fassungslos und angeekelt ließ er die Schilderung des Tatablaufs über sich ergehen und verzichtete auf jede weitere Nachfrage. Auch die vorgeschriebenen Kommunikationswege und die strikte Geheimhaltung leuchteten ihm ein. Mit einem angewiderten Kopfschütteln und einem genuschelten »Das gibt ’ s doch nicht« beendete er das Gespräch. Am liebsten hätte er entgegen der erteilten Anordnung den Einsatz allgemein zugänglich über das polizeiliche Funknetz verteilt und so diesen Vorgang einem Haufen vermuteter Lauscher, darunter wie immer die örtlichen Polizeireporter von Tageszeitungen und Radiostationen, offenbart. Aber die berufliche Lethargie und seine im Laufe der Jahre entstandene Gleichgültigkeit behielten die Oberhand bei dem 53-jähigen Führungspolizisten und verscheuchten dieses kurze Aufblitzen von Widerstandswillen gegen eine von oben verordnete politische Korrektheit. Über Verlogenheit und falsche Rücksichtnahme war er schon zu oft in seiner Beamtenlaufbahn gestolpert, als dass er sich darüber noch nachdrücklich echauffieren konnte.
Im Küchenraum der Dienststelle saßen noch zwei Streifenwagenbesatzungen der Frühschicht einträchtig bei Filterkaffee und belegten Brötchen zusammen. Darunter der erst kürzlich zu ihnen versetzte 25-jährige Stefan und eine alt eingespielte Crew. Nach kurzem Zögern entschied er sich gegen den jungen Kollegen und verschonte ihn mit so viel Realität an einem Montagmorgen um 9.30 Uhr. Er winkte den älteren Streifenführer Frank mit einem Kopfnicken aus dem Raum. Nach kurzer Zeit kehrte Frank zurück, trank seinen letzten Schluck Kaffee im Stehen und bedeutete seinem Kollegen, das Frühstück abzubrechen.
»Was liegt an?«, fragte sein Streifenkollege neugierig.
Frank schüttelte missmutig den Kopf, mehrmals. Sein Kollege unternahm im Aufstehen einen weiteren, schon leicht angesäuerten zweiten Versuch. »Aber wo es hingeht, werde ich wohl noch erfahren dürfen?«
»Wir fahren zum Pferdehof, den Rest erzähl ich dir unterwegs. Los jetzt.«
Stefan und sein Bärenführer, oder neudeutsch Tutor, schauten sich ratlos an und wunderten sich über diese Geheimniskrämerei. Auch dem wiedereintretenden Wachhabenden konnten sie keine zusätzlichen Informationen entlocken. Stattdessen schickte er sie wortkarg in die nächste Karstadt-Filiale, wo ein Ladendieb ohne Papiere den Hausdetektiven Probleme bereitete. Im Fahrzeug meldete Stefan der Einsatzleitstelle per Funk den Grund und Ort ihres Einsatzes an und startete den Motor. Die unmittelbar vor ihnen fahrenden Kollegen mit dem ominösen Auftrag unterließen diese Statusmeldung. Aus Versehen oder bewusst?
Der Ladendieb hielt sie nicht allzu lange auf. Sobald sie das Warenhaus verlassen hatten, beschwatzte Stefan seinen Kollegen, auch zum Pferdehof zu fahren, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Seinen chronisch neugierigen Bärenführer brauchte er nicht lange zu überreden, außerdem war es ansonsten eine ruhige, geradezu langweilige Frühschicht. Also machten sie sich auf den Weg.
Gegensätzlicher hätten ihre beiden Zielorte nicht sein können. Gerade noch hatten sie in
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