Inside Polizei
Hände und Arme schützte, nicht zurückgreifen konnte, um eine drohenden Ansteckung mit einer möglichen Krankheit des Junkies zu vermeiden, habe er seine durch Schuhe geschützten Füße eingesetzt. Seinen antrainierten dienstlichen Fähigkeiten und Kampfkünsten war es egal, ob er sie in Uniform gekleidet anwendete oder zivil in einer Samstagnacht. Diese Fertigkeiten schlummerten in ihm und waren immer bereit zum Einsatz. Was der Auslöser für die Anwendung seiner erlernten Fähigkeiten war, spielte dabei keine Rolle. Sie würden den ehemaligen GSG-9-Kämpfer nie im Stich lassen.
Dann nahm der Fall eine dramatische, überraschende Wendung. Die beiden Augenzeugen, die die Polizei alarmiert hatten, machten ihre Aussage.
Melanies und Gerolds siebte Nachtschicht in Folge dauerte bereits vier Stunden. Langsam verließ sie die Hoffnung, dass sie heute noch ein Erfolgserlebnis haben würden. Doch wer strolchte da umher? Ein Mann, der offenbar aus der hiesigen Rauschgiftszene stammte, lungerte auf der Suche nach einer weiteren Portion Drogen in dem für die Polizisten sichtbaren Bereich herum. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich zwei kräftige Männer auf. Es schien ein kurzes Wortgefecht zu geben, und dann hagelte es auch schon Schläge und Tritte. Der Junkie brach unter dem Trommelfeuer zusammen und schlug hart auf der Straße auf. Einer der beiden Kraftprotze ließ trotzdem nicht von ihm ab und attackierte den Gestürzten mit Fußtritten. Melanie durchbrach als Erste die Schockstarre und alarmierte über die Leitstelle einen Streifenwagen. Binnen kürzester Zeit war ein Wagen vor Ort, worauf die beiden Angreifer von ihrem Opfer abließen. Das Observationsteam beobachtete erleichtert, dass die beiden Schläger keinerlei Aggressionen gegen die einschreitenden Beamten starteten. Bereitwillig händigten sie Ausweise aus, und es schien sich ein normales Gespräch zu entwickeln. Glück gehabt, denn von ihrer Dachgeschosswohnung aus hätte es lange gedauert, bis der Streifenwagenbesatzung zu Hilfe hätten eilen können. Des Weiteren wollte Melanie – wie sie später vor Gericht im Kreuzverhör der Verteidigung aussagte – die Tarnung der konspirativen Wohnung nicht gefährden und war deshalb nicht zu den einschreitenden Kollegen gelaufen.
»Na, dann haben wir heute ja doch noch unsere gute Tat vollbracht!«, bemerkte Melanie stolz. »Der Typ hat richtig Glück gehabt, zehn Meter weiter rechts oder links, und wir hätten nichts gesehen.«
Glück oder Pech lagen in dieser Nacht dicht beisammen und sprichwörtlich im Auge des Betrachters.
Das Observationsteam brach den Überwachungsauftrag ab und fuhr zu seiner Dienststelle. Dort fertigte Melanie ihre Aussage mit Gerold als Zeugen an und brachte das Schriftstück auf seinen behördlich vorgeschriebenen Weg. Melanie verfasste den Bericht, ohne zu wissen, dass die beiden zuschlagenden Männer Angehörige des städtischen Spezialeinsatzkommandos waren. Kollegen des gleichen Polizeipräsidiums, die den gleichen Diensteid wie sie geschworen hatten und das gleiche Landeswappen auf ihren Uniformärmeln trugen. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob es ihre Zeugenaussage beeinflusst oder verändert hätte, wenn sie es gewusst hätte, es war, wie es war.
Ihre Darstellung der Schlägerei war eindeutig, ließ keinerlei Spielraum für eine Interpretation zu und stütze in den grundlegenden Behauptungen die Aussage des immer noch inhaftierten Junkies. Sie berichtete von einem willkürlichen Angriff der beiden Männer, von gezielten Schlägen und Tritten und von Fußtrittattacken auf den bereits am Boden liegenden Manfred.
Am nächsten Tag blätterte der schichtführende Dienstgruppenleiter die Tagesablage durch, um auf dem Laufenden zu sein und abzuschätzen, ob aus der vergangenen Nacht noch etwas von ihm abschließend bearbeitet werden musste. Zuerst las er die Strafanzeige der Streifenpolizisten, das Protokoll der Festnahmeanzeige und die Zeugenaussage der Elitepolizisten. Danach hakte er den Vorgang innerlich ab, speicherte lediglich für sich, dass er sich nach der weiteren Handhabung bezüglich des Drogensüchtigen kundig machen wollte, der immer noch in einer Zelle einsaß. Etliche Zeit später nahm er nach einem Lesemarathon erfreut zur Kenntnis, dass er nur noch ein Formular zu lesen hatte. Eine Stellungnahme zweier Beamten der Hundertschaft im Observationsauftrag. Dieser Bericht war nicht als zusammengehörend mit der oben erwähnten Strafanzeige gekennzeichnet,
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