Inside WikiLeaks
für alle ein gutes Wort beim Weihnachtsmann einlegen.
Im Laufe des Jahres gingen dann tatsächlich immer wieder Spenden oder Hilfsangebote bei uns ein, die mit einer dieser Nummern verbunden waren. Auch in den Verwendungszweck der Überweisungsträger an die Wau Holland Stiftung ( WHS ), die für uns ein deutsches Konto führte, trugen einige ihre Nummern ein.
Als Nächstes berichteten wir unseren Zuhörern von Island und von der Idee, dort einen Freihafen für die Presse einzurichten, und wie wir diesen Vorschlag in der isländischen Talkshow gemacht hatten. Und dann fragten wir in die Runde, ob das Publikum hier im Berliner Congress Center nicht vielleicht in der Lage wäre, ganz gut zu verstehen, warum die Freiheit des Internets so wichtig sei.
Das war der großartigste Moment in meinem Leben. Wir hatten kein Popkonzert gegeben und versprachen auch keine Freigetränke. Wir hatten lediglich einen Vortrag über internationale Mediengesetzgebung gehalten. Die Leute applaudierten wie verrückt. Erst erhob sich einer, dann zwei, drei, irgendwann waren alle aufgesprungen. Sie klatschten uns zu. Sie machten richtig Krach dabei. Ich spürte eine dicke Wolke der Begeisterung, die uns von der Menge da unten entgegenflog. Das fühlte sich verdammt geil an.
Und dann kam langsam das Geld.
Wir hatten nach außen kommuniziert, wir bräuchten 200000 Dollar für die Betriebskosten, und idealerweise weitere 400 000 Dollar für Gehälter. Die ersten 200 000 Dollar hatten wir schon im Februar oder März 2010 zusammen, und dabei ist allein das Konto der WHS gemeint, das wir im Oktober 2009 eingerichtet hatten.
Auf die Stiftung kam ich durch den Chaos Computer Club. Wau Holland war einer der Gründungsväter des Hacker-Clubs gewesen, und die Stiftung kümmerte sich um seinen Nachlass und die Förderung von Projekten zur Informationsfreiheit. Das Gute an dieser Stiftung war, dass sie dafür sorgte, dass die Geldeingänge in offizielle Bahnen gelenkt wurden. Wer uns in Deutschland eine Spende überwies, konnte den Betrag von der Steuer absetzen. Ich hatte den Kontakt zur Stiftung organisiert und übernahm den Papierkram. Der größte Anteil unserer Spenden kam auch aus Deutschland.
Das Collateral-Murder -Video, mit dem wir im April 2010 unsere Zwangspause beendeten, lockte innerhalb von nur zwei Wochen noch einmal 100 000 Dollar an Spenden an. Im Sommer 2010 lagen auf dem Konto dann schon 600 000 Dollar, und mein letzter Stand ist, dass sich bei der Stiftung zu besten Zeiten mehr als eine Million Dollar angesammelt hatte. Bis September, also dem Zeitpunkt, als ich WL verließ, hatten wir 75000 davon ausgegeben, investiert in Hardware und Reisekosten. In den folgenden zwei Monaten wurde ein Mehrfaches davon abgerechnet – vermutlich auch, weil endlich ein Weg gefunden worden war, Gehälter zu zahlen.
Mit dem Submission -System gingen wir dann im Januar schon wieder online, so dass neue Dokumente bei uns hochgeladen werden konnten. Das System dahinter war zu diesem Zeitpunkt technisch bereits deutlich weiter entwickelt als vor unserer Pause. Das Wiki, also die Benutzeroberfläche mit der Startseite, den Erläuterungen zu den Leaks und den Links zu den Dokumenten, blieb ganze sechs Monate offline. Ein halbes Jahr lang konnten wir also nur neues Material entgegennehmen und waren ansonsten im Internet nicht mehr zu erreichen. Die Reparaturmaßnahmen waren komplizierter, als wir uns das anfangs vorgestellt hatten.
Plötzlich war jedoch Geld da, und im Gegensatz zu Julian war ich dafür, es auch auszugeben. Von März bis Mai nahmen wir etwa 17 neue Server in Betrieb. Ende August rüsteten wir noch einmal auf. Wenig später sollte das Team auseinanderbrechen. Als ich WL im September 2010 verließ, war das Projekt technisch in einem Zustand, von dem ich immer geträumt hatte. Wir hatten Cryptophone, Satellitenpager und haufenweise neue Server. Wir waren breit aufgestellt, und unser System hatte eine Bilderbucharchitektur.
Meiner Meinung nach hätten wir auch ein Büro und festangestellte Mitarbeiter gebraucht. Davon war lange die Rede gewesen. Unser Headquarter sollte in Berlin oder in den Alpen sein – Julian mochte die Natur und die Berge genauso gerne wie ich. Kurz hatten wir sogar mit der Idee gespielt, einen Bunker zu kaufen. Ich hatte mich schon bei der Liegenschaftsverwaltung der Bundeswehr erkundigt. Für einige zehntausend Euro hätte es vielleicht einen schönen Betonklotz für uns gegeben, mit genug Platz für ein
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