Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln
besonders naheliegender Trick besteht darin, irgendein Detail in den Vordergrund zu holen, um auf diese Weise ein gewisses Raumgefühl zu vermitteln. Es ist äußerst schwierig, auf einem kleinen Farbabzug die unendliche Weite einer Landschaft einzufangen, aber mit Hilfe einer Person, einer alten Scheune oder einem besonders bizarren Baum im Vordergrund ist es möglich, eine Vorstellung von der tatsächlichen Perspektive zu geben.
Eine etwas kühnere Variante besteht darin, den Blick des Betrachters auf bestimmte Formen oder Strukturen zu lenken. Ein schräger Geröllhang zum Beispiel oder ein Feld voller Butterblumen wird das Auge unweigerlich zu den dahinterliegenden schroffen Felsen und den Wasserfällen führen. Außerdem sollten Sie sich nicht zum Sklaven des Sonnenlichts machen. Nebelverhangene Bergspitzen oder die Schatten der Wolken auf den Hängen können interessante Effekte bringen, wenn Sie die richtige Belichtungszeit einstellen, und ein endloser blauer Himmel sieht noch strahlender und weiter aus mit ein paar sanft dahinschwebenden weißen Wolken.»
Das Licht ging aus, und Terry Whigham zeigte einige seiner Lieblingsdias, um das Gesagte zu illustrieren. Es waren gute Aufnahmen, wie Sandra zugeben mußte, obwohl ihnen der besondere Funke, der persönliche Stempel fehlte, den sie ihren eigenen Fotos mit Vorliebe aufprägte, mitunter auch auf Kosten bewährter alter Regeln.
Harriet war ein Neuling auf dem Gebiet der künstlerischen Fotografie, hatte aber bereits ein gutes Auge bewiesen, auch wenn ihre Technik einstweilen noch sehr zu wünschen übrigließ. Sandra hatte sie anläßlich einer schrecklich öden Brunch-Party bei ihrer Nachbarin Selena Harcourt kennengelernt, und sie hatten sich auf Anhieb gemocht. In London hatte es Sandra nie an anregenden Bekanntschaften gefehlt, aber hier im Norden waren ihr die Leute sehr kühl und zurückhaltend vorgekommen. Bis sie Harriet getroffen hatte, Harriet mit ihrem lustigen Puppengesicht, ihrer zarten Gestalt und ihrem mitfühlenden Wesen. Seither waren sie miteinander befreundet, und Sandra hatte nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.
Nachdem die Diavorführung beendet war und Terry Whigham das Podium unter lebhaftem Beifall verlassen hatte, gab der Klub-Sekretär die Termine für das nächste Treffen und die bevorstehende Exkursion nach Swaledale bekannt, bevor man zu Kaffee und Kuchen überging. Sandra, Harriet, Robin Allott und Norman ehester, die allesamt gehaltvollere Erfrischungen bevorzugten, zogen sich, wie gewohnt, in The Mile Post auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurück.
Sandra saß zwischen Harriet und Robin, einem jungen Lehrer, der gerade eine Scheidung hinter sich hatte. Gegenüber hatte Norman Chester Platz genommen, der sich weniger fürs Fotografieren selbst als für dessen wissenschaftliche Hintergründe interessierte. Alles in allem eine eher seltsame Gruppierung, die unter normalen Umständen nie zustande gekommen wäre. Allen gemeinsam war jedoch das Bedürfnis nach einem kräftigen Drink - vor allem nach einem weitschweifigen Vortrag - und die Abneigung gegen Fred Barton, den Sekretär des Klubs, einen hölzernen Menschen mit unangenehmem Mundgeruch und ein strenggläubiger Methodist, dem es weder in den Sinn kam, einen Pub zu betreten noch die Schuppen zu beseitigen, die ihm auf den steifen blauen Anzug rieselten.
«Nun, was soll's sein?» erkundigte sich Norman, klatschte in die Hände und schaute strahlend in die Runde.
Nachdem alle ihre Wünsche geäußert hatten, verschwand er zum Tresen und kam wenige Minuten später mit einem Tablett voller Drinks zurück. Nach den üblichen Eröffnungskommentaren über die Veranstaltung - die heute überwiegend zugunsten des Referenten ausfielen, der inzwischen zweifellos Bartons quälende Annäherungsversuche oder Jack Tatums gönnerhafte Speichelleckerei über sich ergehen lassen mußte - stürzten sich Robin und Norman in eine Diskussion über den sinnvollen Gebrauch von Farbfiltern, während sich Sandra und Harriet den jüngsten Kriminalfällen zuwandten.
«Alan wird dir doch sicher erzählt haben von diesem letzten Ereignis, oder?» erkundigte sich Harriet.
«Was für ein Ereignis? Was meinst du?»
«Du weißt doch, dieser Knabe, der überall an den Regenrinnen hochkraxelt und den Frauen beim Ausziehen zuguckt.»
Sandra lachte. «Ziemlich schwer, das auszudrücken, was? klingt ein bißchen zu romantisch, und bei
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