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Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln

Titel: Inspector Alan Banks 01 Augen im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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ganz akzeptiert wurde - zumindest hatten sich ein oder zwei ihrer Liebhaber beschwert, daß es, unabhängig von dem Spaß, den man innerhalb oder außerhalb des Bettes mit ihr haben konnte, nahezu unmöglich sei, ihr wirklich nahezukommen, daß man sich ständig beobachtet fühle, wie eine Versuchsperson in einem unbegreiflichen Experiment ... Mit einer entschlossenen Handbewegung wischte Jenny den plötzlichen Anflug kritischer Selbstbetrachtung beiseite; wenn sie den allgemeinen Vorstellungen über eine richtige Frau nicht entsprach, wenn sie weder ständig in Ohnmacht fiel und Tränen vergoß oder subjektiv, irrational, intuitiv und sentimental war - dann sollten ihr die Männer getrost den Buckel runterrutschen.
      Das Haus machte einen beklemmenden Eindruck. Es war nicht nur die alles durchdringende Nähe des Todes, sondern mehr noch diese massive Anhäufung von Dingen, die der Vergangenheit angehörten. Die Wände waren mit einem wabenartigen Muster von Nischen, Winkeln und Spalten durchzogen, in denen buntbemalte Ostereier und silberne Teelöffel aus Rhyll oder Morecambe vor sich hin staubten, in trauter Gemeinschaft mit alten Schnupftabakdosen, zierlichen Figuren aus Chinaporzellan, einem Flaschenschiff, vergilbten Geburtstagskarten und Miniaturen. Auf dem Kaminsims drängten sich sepiafarbene Fotografien - steife Gruppenbilder der Familie und eine Aufnahme von vier jungen Frauen in Schwesternuniform vor einem altmodischen Sanitätswagen der Army; die verbleibenden Wandflächen waren bestückt mit gerahmten Gobelinstickereien und zahllosen Aquarellen von Wiesenblumen, Vögeln und Schmetterlingen. Jenny schüttelte sich bei dem Gedanken, in einem derartigen Mausoleum leben zu müssen. Ihre eigene Wohnung lag zwar auch in einem alten Haus, aber die Innenausstattung war großzügig und modern.
      Sie beobachtete Bank bei der Arbeit. Wie erwartet, wirkte er sehr tüchtig und professionell, schien jedoch oft mit den Gedanken woanders zu sein, und gelegentlich zog ein Ausdruck schmerzlicher Trauer über sein Gesicht, wenn er sich gegen die Wand lehnte und auf den toten Körper der alten Frau hinabsah, während sie aus allen erdenklichen Blickwinkeln fotografiert wurde. Der Fotograf war eigentlich viel zu jung für diesen prosaischen Umgang mit dem Tod, fand Jenny. Unterdessen machte sich der Arzt - einer von der alten, zigarettenrauchenden Sorte, die noch Hausbesuche machte, wenn man die Grippe hatte oder der Hals entzündet war - mit Thermometern, Diagrammen und anderen Gerätschaften an der Toten zu schaffen. Diskret wandte sich Jenny ab und versuchte, den Blumendarstellungen die richtigen Namen zuzuordnen. Sie stand immer noch auf der Türschwelle, hatte die Arme über der Brust gefaltet und fühlte sich merkwürdig unsichtbar. Alle schienen zu glauben, daß sie zu Banks gehörte, und niemand schenkte ihr die leiseste Beachtung - abgesehen von einem leicht angesäuselt wirkenden Sergeant, den sie schon bei ihrem Besuch auf der Wache gesehen hatte und der ihr gelegentlich begehrliche Blicke zuwarf. Sie ignorierte ihn und beobachtete die übrigen Männer bei der Arbeit.
      Mitten in diesem routiniert und wie automatisch ablaufenden Geschehen saß Ethel Carstairs, die den Leichnam entdeckt hatte. Immer noch zitternd und schockweiß im Gesicht, nippte sie an dem Brandy, den einer der Beamten in der Küche gefunden hatte - in einer von Alices Medizinflaschen -, schien sich aber inzwischen wieder so weit unter Kontrolle zu haben, daß sie mit Banks sprechen konnte.
      «Alice sollte heute abend eigentlich zu mir kommen», erklärte sie mit schwacher, zittriger Stimme. «Wir treffen uns jeden Samstag und Dienstag, um Romme zu spielen. Sie hat kein Telefon, ich konnte also nur warten, als sie nicht pünktlich da war. Aber als es dann immer später wurde, hab ich mir doch Sorgen gemacht und bin zu Fuß hier rüber, um zu sehen, ob sie vielleicht krank ist. Sie ist immerhin siebenundachtzig, letzte Woche haben wir noch ihren Geburtstag gefeiert, Inspector. Die kaputte Zuckerdose da unten, die hab ich ihr geschenkt.»
      Auf den Fliesen vor dem alten Eichenholzbüfett, aus dem jemand sämtliche Schubladen herausgezogen hatte, lagen die Scherben einer hübschen Zuckerdose mit Rosenmuster.
      «Sie hat immer gern genascht, obwohl der Doktor ihr die Süßigkeiten verboten hat», fuhr Ethel fort und tupfte sich mit einem spitzengesäumten Taschentuch die feuchten Augen.
      «Lag sie genauso da, als Sie sie

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