Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
betäubt - mit etwas Nembutal, das man ihm verordnet hatte er war auch zur Telefonzelle gefahren, um Emma herbeizurufen, aber nur, weil er völlig verstört gewesen war und nicht mehr ein noch aus gewußt hatte. Und als Emma dann darauf bestand, Penny zu töten, weil sie zuviel wußte, hatte er versucht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Emma hatte ihn als Schwächling beschimpft und erklärt, daß sie dann eben selbst das Nötige tun müsse, da er offenbar nicht Manns genug sei, eine solche Kleinigkeit wie einen netten, sauberen Unfall zu inszenieren. Ramsden hatte ihr widersprochen und sie von ihrem Plan abhalten wollen, und mitten in dieser Auseinandersetzung seien plötzlich Banks und Barker erschienen.
Penny hörte sich den Bericht von Ramsdens Aussage an - unterdessen war es ein Uhr früh, und man saß, wohlversorgt mit einer Kanne frischen Kaffees, in Banks verräuchertem Büro - und meinte schließlich: «Sehen Sie, ich hab's doch gewußt. Er hätte mir nie etwas angetan.»
Banks schüttelte den Kopf. «O doch», betonte er nachdrücklich, «das hätte er. Er hat alles getan, was Emma von ihm verlangte.»
* II
Es dauerte noch einige Tage, bis alle losen Enden zu einem logischen Ganzen verknüpft waren. Hatchley protokollierte die Aussagen, schrieb die Berichte, schimpfte über Richmond, der in Surrey «auf der faulen Haut» lag, und Gristhorpe überprüfte noch einmal sämtliche Details. Emma Steadman blieb weiterhin stumm und machte sich nicht einmal die Mühe, Ramsdens Anschuldigungen zu bestreiten. Sie hatte alles riskiert und alles verloren und schien nun, da alles vorbei war, weder für Gegendarstellungen noch für Anflüge von Reue auch nur den geringsten Anlaß zu sehen.
Gegen Ende der Woche fuhren Banks und Sandra nach Helmthorpe zu einem Liederabend, den Penny zu Ehren von Sally Lumb veranstaltete. Es war ein milder Abend, und da das Konzert früh zu Ende war, setzten sie sich noch für eine Weile mit Penny und Barker in den Biergarten des Dog and Gun. Im Hintergrund sah man die dunkler werdenden Schatten der Berge und die schroffe Wand des Crow Star, die im schwindenden Licht sanft herüberschimmerte, als habe der Himmel einen silbernen Vorhang fallen lassen.
Banks war nicht besonders wohl, als ihn die anderen bestürmten, endlich die Hintergründe des Falles zu enthüllen. Er gefiel sich nicht in dieser Rolle, gab aber schließlich dem allgemeinen Drängen nach, in dem Gefühl, zumindest Penny und Barker noch eine Erklärung zu schulden. Auch bei Sandra hatte er einiges wiedergutzumachen; seit den Verhaftungen war er kaum zu Hause gewesen, und sie hatte ihm immerhin den entscheidenden Hinweis gegeben, um das Rätsel zu entwirren.
«Wann hat eigentlich alles angefangen?» fragte Sandra.
«Vor etwa zehn Jahren », antwortete Banks. «Penny hier war damals erst sechzehn, Michael Ramsden achtzehn, Steadman etwa Anfang Dreißig und seine Frau gerade achtundzwanzig. Harold Steadman stand am Anfang einer vielversprechenden Karriere als Universitätsprofessor, war zwar noch nicht besonders wohlhabend, aber doch recht gut situiert und hatte beste Aussichten auf ein sehr bedeutendes Erbe. Emma muß das alles zu Anfang noch sehr angenehm und aufregend gefunden haben, hat sich aber, wie es scheint, sehr bald gelangweilt und sich mehr und mehr aus den akademischen Kreisen zurückgezogen, wie das offenbar viele Professorenfrauen tun.
Als ich mich mit Talbot und Darnley unterhielt - Steadmans Kollegen von der Universität Leeds -, meinte der eine, Emma sei früher gewesen, aber dann ziemlich bald einfach in der Versenkung verschwunden. Ich vermute, daß die gute Emma sich wohl wenigstens vorgestellt hatte, in den Ferien ein bißchen vor die Tür zu kommen und weite Reisen zu machen. Aber nein - Steadman hatte Helmthorpe entdeckt, oder vielmehr Gratly, was offenbar alle seine Anforderungen an einen gelungenen Urlaub abdeckte, und damit fing es an. Emma sah, wie ihr Leben öde und ereignislos dahinging, und sie fühlte sich zu jung, um alle Träume zu begraben.
Es muß ein besonders schöner Sommer gewesen sein, etwa so wie in diesem Jahr», stellte Banks fest und schaute in die Runde zu den übrigen Gästen, deren Jacken und Pullover sämtlich ungenutzt über den Stuhllehnen hingen. «Wie oft hat man das schon im guten alten England?» meinte er und nahm einen Schluck von seinem kühlen Lager. «Vor allem hier in Yorkshire... Wie auch
Weitere Kostenlose Bücher