Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
engen Straßen mit ihren rissigen Steinmauern, Andenkenläden und überteuerten Pubs ging.
Das Krankenhaus war ein schmuckloses, viktorianisches Backsteingebäude. In den hohen, zugigen Fluren lag eine fatalistische Stimmung. Nicht gerade das Krankenhaus, das ich mir aussuchen würde, wenn ich krank wäre, dachte Banks, während er in seiner Manteltasche nach der Stoptaste des Walkmans fingerte.
Die Leichenhalle befand sich im Keller, der, genau wie die Zellenebene des Polizeireviers, der modernste Teil des Gebäudes war. Die Wände des Autopsieraumes waren weiß gekachelt, in der Mitte stand ein Metalltisch, an dessen Rändern Rinnen eingelassen waren, damit das Blut ablaufen konnte. An einer Wand erstreckte sich ein langer Experimentiertisch mit Bunsenbrennern und Mikroskopen, darüber war ein Regal für die Behälter mit Organen, Gewebeproben und bereits zusammengemischten chemischen Lösungen angebracht.
Glücklicherweise war der Tisch leer, als Banks eintrat. Ein Laborassistent war gerade dabei, ihn gründlich abzuschrubben, während Glendenning mit einer Zigarette im Mundwinkel vor dem Experimentiertisch stand. In der Leichenhalle rauchte jeder; damit wollte man sich den Gestank des Todes vom Leibe halten.
Der Laborassistent ließ ein chirurgisches Instrument in eine Nierenschale aus Metall fallen. Bei dem Klang zuckte Banks zusammen.
»Gehen wir ins Büro«, sagte Glendenning. »Ich merke schon, dass Sie ein bisschen blass um die Kiemen werden.«
Glendennings Büro war klein und voll gestopft. Für einen Mann seiner Statur und seines Ranges ziemlich unangemessen, dachte Banks. Aber dies war nicht Amerika; trotz privater Versicherungspläne konnte man mit Gesundheitsfürsorge kaum ein großes Geschäft machen. Glendenning zog seinen weißen Laborkittel aus, strich sein Hemd glatt und setzte sich hin. Banks nahm ein paar alte Medizinjournale von dem einzigen verbleibenden Stuhl und setzte sich dem Doktor gegenüber.
»Kaffee?«
Banks nickte. »Gerne.«
Glendenning nahm den Hörer vom Telefon und drückte eine Taste. »Molly, Liebes, glaubst du, du kannst zwei Tassen Kaffee organisieren?« Er bedeckte die Sprechmuschel und fragte Banks, wie er seinen Kaffee wollte. »Einen schwarz ohne Zucker, und für mich wie immer. Ja, drei Stück Zucker, genau. Welche Diät? Und komm mir nicht mit diesem Muckefuck, den sie an der Rezeption trinken. Was? Ja. Ich weiß, dass dir gestern der Kaffee ausgegangen ist, aber das ist keine Entschuldigung. Ich habe seit drei Wochen kein Kaffeegeld bezahlt? Was soll das werden, gute Frau, eine verfluchte Inquisition?« Er knallte den Hörer auf, fuhr mit einer Hand durch sein weißes Haar und seufzte. »Gute Mitarbeiter sind heutzutage schwer zu finden. Na gut, Mr. Banks, dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben.« Er wühlte durch einen Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch.
Wahrscheinlich wusste er alles auswendig, dachte Banks, aber er brauchte die Sicherheit der Akten und Blätter vor ihm. Auch Richmond las immer gerne alles aus seinem Notizbuch ab, obwohl er es schon vorher ganz genau wusste.
»Seth Cotton, ja, armer Kerl.« Glendenning zog eine Lesebrille mit halbmondförmigen Gläsern aus seiner Hemdtasche und überflog den Bericht. Als er damit fertig war, legte er ihn beiseite, nahm die Brille ab und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, wobei er seine großen, aber feingliedrigen Hände auf dem Schoß faltete. Der Kaffee wurde hereingebracht, und bevor Molly wieder ging, schenkte sie ihrem Chef noch einen missbilligenden Blick.
»Letzte Mahlzeit ungefähr drei Stunden vor Todeseintritt«, sagte Glendenning. »Und zwar eine gute, wenn ich das sagen darf. Roastbeef, Yorkshire Pudding. Was kann sich ein verurteilter Mann Besseres wünschen?«
Banks trank einen Schluck Kaffee. Er war kochend heiß und schmeckte gut. Eindeutig handelte es sich nicht um den »Muckefuck« von der Rezeption.
»Eine Vergiftung konnte nicht nachgewiesen werden, auch keine weiteren Wunden, mit Ausnahme der äußeren. Mr. Cotton erfreute sich bester Gesundheit, bis das Blut aus seinem Körper floss.«
»War das die Todesursache?«
»Genau. Ein Blutverlust von circa zweieinhalb Litern führt gewöhnlich zum Tode.«
»Was ist mit dem Schlag auf den Kopf? Wurde er vor oder nach den Schnitten an den Knöcheln zugefügt?«
Glendenning kratzte sich den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Körperfunktionen
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