Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
wie wenn einem ein Name auf der Zunge lag oder man einen Juckreiz verspürte und sich nicht kratzen konnte. Er wollte nicht voreilig sein, aber es fühlte sich wie der vertraute Anflug einer Ahnung an. Sich widersprechende Fakten trafen aufeinander, und mit einer Menge bemühten Nachdenkens, etwas Hilfe des Unterbewusstseins und ein bisschen Glück könnten sie tatsächlich zu einer Antwort führen. Noch war er weit davon entfernt, und als Muddy Waters begann »Still A Fool« zu singen, glaubte ihm Banks. Noch war er der Dumme.
Die Kirchturmuhr zeigte kurz nach elf Uhr an. Burgess war wohl unterwegs, um Osmond und die Studenten zu vernehmen. In seinem Büro rief Banks das Labor der Spurensicherung an und verlangte Vic Manson. Er musste ein paar Minuten warten, aber schließlich kam Vic an den Apparat.
»Haben Sie etwas über die Fingerabdrücke rausgefunden?«, fragte Banks.
»Ja. Vier verschiedene Abdrücke. Auf jeden Fall vier identifizierbare. Ein Abdruck gehört natürlich dem Verstorbenen, ein anderer diesem Boyd. Es sind die gleichen, die wir auf dem Messer gefunden haben. Dann noch zwei weitere.«
»Die sind wahrscheinlich von Mara und einem der anderen«, sagte Banks. »Vielen Dank, Vic. Ich versuche, zum Vergleich Fingerabdrücke der anderen zu bekommen. Ist Geoff Tingley in der Nähe?«
»Ja. Sekunde, ich hole ihn.«
Banks konnte am anderen Ende der Leitung entfernte Stimmen hören, dann nahm jemand den Hörer in die Hand. »Hier Tingley«, sagte er. »Geht es um diese Briefe?«
»Genau.«
»Nun, ich bin so gut wie sicher, dass sie nicht von ein und derselben Person getippt wurden. Bei den Veränderungen des Tastendrucks muss man eigentlich immer ein paar Zugeständnisse machen, doch diese Briefe unterscheiden sich so stark, dass ich fast überzeugt bin. Aber ich könnte ein paar weitere Proben von wenigstens einem der Schreiber gebrauchen. Damit hätte ich mehr Variablen und einen breiteren Vergleichsrahmen.«
»Ich werde mal sehen, was ich machen kann«, sagte Banks. Wahrscheinlich gab es in dem Aktenschrank der Werkstatt weitere maschinengeschriebene Briefe von Seth. »Würde es was bringen, wenn wir einen Verdächtigen eine Probe tippen lassen?«
»Mmmh. Vielleicht. Das Problem ist, wenn er weiß, worauf wir hinaus wollen, könnte er es leicht fälschen. Ich würde jedoch sagen, dieser Kerl ist ein Arbeitertyp. Bei dem durchgängigen starken Aufdruck kann man davon ausgehen, dass der Brief hingehackt worden ist. Jeder einzelne Buchstabe ist sozusagen sehr bedächtig ausgesucht und dann runtergedrückt worden. Klassische Zwei-Finger-Technik. Der andere Kerl war ein besserer Maschineschreiber, er hat auch mit zwei Fingern geschrieben, würde ich sagen, aber ziemlich schnell und genau. Wahrscheinlich hatte er wesentlich mehr Übung. Und da ist noch etwas anderes. Ist Ihnen aufgefallen, dass die Schreibstile der Briefe ...«
»Ja«, sagte Banks. »Das haben wir bemerkt. Aber gut, dass Sie darauf hinweisen.«
Tingley klang enttäuscht. »Oh, keine Ursache.«
»Vielen Dank. Ich melde mich wegen der Proben und Vergleiche. Würden Sie mir noch mal Vic geben? Mir ist da gerade etwas eingefallen.«
»Mach ich.«
»Sind Sie noch dran?«, fragte Manson wenige Sekunden später.
»Ja. Hören Sie, Vic, es gibt noch ein paar Punkte. Zuerst einmal die Schreibmaschine.«
»Keine eindeutigen Spuren, nur ein paar verwischte Abdrücke.«
»Wurde sie abgewischt?«
»Könnte sein.«
»Auf dem Tisch lag ein Lappen, oder? So ein gelbes Staubtuch.«
»Ja, stimmt«, sagte Manson. »Soll ich es nach Fasern untersuchen?«
»Wenn Sie das bitte tun würden. Und das Papier?«
»Das Gleiche, nichts Brauchbares.«
»Was ist mit diesem Stift oder was wir da auf dem Boden gefunden haben? Hatten Sie schon Zeit, sich darum zu kümmern?«
»Ja. Es ist ein einfacher Kugelschreiber, ein Bic. Natürlich keine Fingerabdrücke, alles ist verwischt.«
»Mmmmh.«
Der Stift war in der Blutlache, genau unter Seths herabhängendem rechten Arm gefunden worden. Wenn er Rechtshänder war, wovon Banks ausging, könnte er den Stift benutzt haben, um vor seinem Tod ein paar Zeilen aufzuschreiben. Er könnte natürlich auch schon früher dorthin gefallen sein, aber Seth war sehr ordentlich gewesen, besonders in seinen letzten Momenten. Vielleicht hatte er seinen eigenen Abschiedsbrief geschrieben, und der Mörder hatte ihn
Weitere Kostenlose Bücher