Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Kinder in den Gebieten um Sellafield und anderen Atomkraftwerken mit Leukämie und seltenen Krebsarten zur Welt kommen? Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung?«
»Hören Sie«, sagte Banks. »Ich bin nicht hier, um Ihre Ansichten anzuprangern. Es ist Ihr gutes Recht, so zu denken. Vielleicht bin ich sogar Ihrer Meinung. Doch was Freitagabend passiert ist, hat damit nichts zu tun. Ich bin nicht hier, um über Politik oder Philosophie zu diskutieren, ich untersuche einen Mordfall. Warum kriegen Sie das nicht in Ihren Kopf?«
»Vielleicht kann man das nicht so fein säuberlich trennen, wie Sie glauben«, behauptete Rick. »Politik, Philosophie, Mord - das hängt alles zusammen. Schauen Sie sich Lateinamerika, Israel, Nicaragua oder Südafrika an. Außerdem hat die Polizei angefangen. Erst haben sie uns wie Tiere eingepfercht, dann sind sie mit ihren Schlagstöcken auf uns losgegangen. Genau wie so ein chilenisches Schlägerkommando. Wenn auch ein paar Polizisten verletzt wurden, dann haben sie es verdammt noch mal verdient.«
»Einer von ihnen wurde ermordet. Ist das auch in Ordnung?«
Rick wendete sich angewidert ab. »Ich habe nie behauptet, ein Pazifist zu sein«, brummte er und schaute Seth an. »Jetzt gibt es eine Untersuchung durch die hiesige Polizei«, fuhr er fort, »und die ganze Sache wird manipuliert. Sie können von uns nicht erwarten, dass wir dabei noch an Objektivität glauben. Wenn es darauf ankommt, haltet ihr Arschlöcher immer zusammen.«
»Glauben Sie, was Sie wollen«, sagte Banks.
Craig und McDonald kamen durch die Küche zurück.
Sie hatten nichts gefunden. Mittlerweile war es elf Uhr. Um zwölf sollte Banks Burgess, Hatchley und Richmond im Queen's Arms treffen, um die Ergebnisse zu vergleichen. Es hatte keinen Zweck, noch länger über nukleare Ethik mit Rick zu diskutieren, also stand Banks auf und ging zur Tür.
Als er sich die Jacke zuhielt und sich gegen den Wind zum Wagen schob, spürte er, wie ihm jemand durchs Fenster hinterherstarrte. Im Haus hatte eine spürbare Angst in der Luft gelegen. Nicht nur die Angst vor einer Polizeirazzia, die sie erwartet hatten, sondern noch eine andere. Die Atmosphäre war nicht so harmonisch, wie ihm vorgespielt wurde. Doch erst einmal legte er sein unruhiges Gefühl zu den Akten, um es sich später durch den Kopf gehen zu lassen - gemeinsam mit den tausend anderen Dingen, konkreten und nebulösen, die sich während einer Ermittlung von selbst einstellten.
* II
»Nichts«, knurrte Burgess und drückte seine Zigarre im Aschenbecher in der Mitte der Kupfertischplatte aus, als wollte er ihr den Hals umdrehen. »Alles absolute Arschlöcher. Und diese Frau ist total verrückt. Ich schwöre, sie war kurz davor, mich zu beißen.«
Zum ersten Mal überhaupt spürte Banks einen plötzlichen Anflug von Zuneigung für Dorothy Wycombe.
Doch alles in allem war der Vormittag für jeden enttäuschend verlaufen. Wie nicht anders zu erwarten, hatten die Durchsuchungen weder die Mordwaffe noch Dokumente zu Tage befördert, die den von Burgess vermuteten terroristischen Hintergrund belegten. Keiner der Zeugen hatte seine Aussage widerrufen, und die Reaktionen auf Burgess' Taktik des Zersprengens und Eroberns waren nicht der Rede wert gewesen.
Sergeant Hatchley berichtete, dass die Friedensgruppe der Kirche fassungslos auf den Mord reagiert und sogar Gebete für Constable Gill bei ihrem morgendlichen Gottesdienst angeboten hätte. Die Studentenvertretung hielt es laut Richmond, der ihre Leiter, Tim Fenton und Abha Sutton, aufgesucht hatte, für typisch, dass die anderen ihnen die Schuld an den Ereignissen in die Schuhe schoben, beide bestanden aber darauf, dass Mordanschläge nicht zu ihrem Programm einer friedlichen Revolution gehörten. Während Burgess Dorothy Wycombe durchaus eines Mordes für fähig hielt, besonders an einem Mitglied der männlichen Spezies, war sie unnachgiebig geblieben und hatte eine derartige Unterstellung lächerlich gefunden.
»Also sind wir wieder da, wo wir angefangen haben«, sagte Hatchley. »Hundert Verdächtige und nicht der kleinste Hinweis.«
»Einer der Jungs, der Freitagabend Dienst hatte«, sagte Richmond, »hat mir erzählt, dass Dorothy Wycombe, Dennis Osmond und ein paar Leute von Maggie's Farm einmal ganz vorne gestanden haben. Aber er sagte, als die Kämpfe begannen, geriet alles durcheinander. Er sagte auch, ihm wäre so ein junger Punk unter ihnen
Weitere Kostenlose Bücher