Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Mara von der gefühlskalten Pflegefamilie erzählt, in der von ihm für jede Kleinigkeit, die für ihn getan wurde, ewige Dankbarkeit erwartet worden war. Schließlich war er weggelaufen und hatte als Punk auf der Straße gelebt und alles getan, was zum Überleben nötig war. Ein Leben mit harten Drogen, Gewalt und schließlich Gefängnis. Als sie ihn aufgelesen hatten, war er vollkommen orientierungslos und auf der Suche nach irgendeinem Lebensanker gewesen. Jetzt fragte sie sich, inwieweit er sich wirklich verändert hatte, seit er bei ihnen wohnte.
Bei dem Gedanken an das Blut auf seiner Hand, an die Art, wie er gelogen hatte, und an den ermordeten Polizisten bekam sie auf einmal Angst. Wie würde er reagieren, wenn sie ihn zur Rede stellte? Lebte sie mit einem Mörder unter einem Dach? Und wenn ja, was sollte sie tun?
Während sich die anderen um sie herum unterhielten, spürte Mara, wie sie in einen wirren Gedankenstrudel gezogen wurde. Sie nahm die Töne der anderen auf, nicht aber die Worte, nicht ihre Bedeutung. Sie dachte daran, sich Seth anzuvertrauen, doch was wäre, wenn er irgendwelche Schritte unternahm? Er könnte sich Paul vorknöpfen und ihn sogar fortschicken. Manchmal konnte er sehr streng und unnachgiebig sein. Sie wollte nicht, dass ihre neue Familie auseinander brach, so unvollkommen sie auch war. Sie war alles, was sie auf der Welt besaß.
Nein, entschied sie, sie würde es niemandem erzählen. Noch nicht. Sie wollte Paul nicht das Gefühl geben, sie hätten sich gegen ihn verschworen. Wahrscheinlich waren all ihre Befürchtungen sowieso lächerlich. Sie malte den Teufel an die Wand und baute dumme Ängste auf. Paul würde ihr niemals etwas antun, sagte sie sich, selbst in einer Million Jahren nicht.
* VIER
* I
Als es am Sonntagmorgen dämmerte, war es klar und kalt. Zu einer frischen Märzbrise schien zaghaft die Sonne und tauchte die unteren Berghänge in die zarten Farben des Frühlings. Frauen hielten ihre Hüte fest und Männer schlugen die Kragen ihrer besten Anzüge hoch, während sie sich über die Mortsett Lane in Relton zur Kirche kämpften. Der Polizeiwagen, ein weißer Fiesta Popular mit den offiziellen roten und blauen Streifen auf beiden Seiten, bog auf die holprige Römerstraße in Richtung Maggie's Farm ein. Constable McDonald fuhr, Craig saß schweigend neben ihm und Banks eingepfercht auf der Rückbank.
Der Blick über das Tal war großartig. In der Talsohle konnte Banks Fortford und auf dem gegenüberliegenden Hang unterhalb von Lyndgarth die Devraulx-Abtei ausmachen. Dahinter erhob sich die nördliche Talwand, aus deren verschneiten Gipfeln Kalksteinfelsen hervorragten, die im Licht funkelten wie Zahnreihen.
Nach einem Abend zu Hause, wo er Madame Bovary gelesen hatte, und der darauf folgenden gut durchschlafenen Nacht fühlte sich Banks erholt. Glücklicherweise hatte Dirty Dick angerufen, um ihren Kneipenbummel abzusagen. Angeblich war er zu müde. Banks vermutete, dass er lieber von seinem Hotel aus gleich um die Ecke ins Queen's Arms gegangen war, um Glenys zu bearbeiten, doch Burgess sah am Morgen relativ unversehrt aus. Dennoch erschien er müde, und seine grauen Augen waren trübe wie Champagner, der sein Perlen verloren hatte. Banks fragte sich, wie er mit Dorothy Wycombe zurechtkommen würde.
Als der Wagen auf dem Schotter vor dem Bauernhaus hielt, spähte jemand aus dem Fenster. Banks stieg aus und hörte, wie das Windspiel wie ein Stück experimenteller Musik zu klimpern schien, ein Klang, der seltsam mit dem Wind harmonierte, der ihm um die Ohren blies. Er hatte vergessen, wie hoch Maggie's Farm gelegen war.
Auf sein Klopfen hin tauchte eine große, schlanke Frau auf, die Mitte bis Ende dreißig war und eine Jeans sowie einen rostfarbenen Pullover trug. Banks meinte, sie von seinem früheren Besuch wiederzuerkennen. Gewelltes, walnussfarbenes Haar fiel ihr auf die Schultern und rahmte ein blasses, herzförmiges und ungeschminktes Gesicht ein. Vielleicht war ihr Kinn etwas zu spitz und ihre Nase ein wenig zu lang, aber der Gesamteindruck war angenehm. Ihre klaren, braunen Augen schauten gleichzeitig unschuldig und wissend.
Banks präsentierte seinen Durchsuchungsbefehl, und die Frau trat lustlos zur Seite. Sie wussten, dass wir irgendwann kommen würden, dachte er, und nun wollen sie es einfach hinter sich bringen.
»Wäre schön, wenn die beiden nichts kaputtmachen würden«, sagte sie und deutete
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