Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Dr. Füllers bescheidene Meinung.«
Banks nickte. »Macht Sinn.«
»Aber das macht ihn noch nicht zum Mörder.«
»Nein.« Jede weitere Frage, die ihm jetzt noch einfiel, würde ihn nur zurück auf das schwierige Thema Dennis Osmond bringen. Doch in der letzten halben Stunde hatte sich die Atmosphäre so entspannt, dass er nicht riskieren wollte, dem Abend einen bitteren Nachgeschmack zu geben. Wenn er sich tatsächlich wieder über Osmond auslassen würde, würde Jenny mit Sicherheit dichtmachen.
Banks nahm die Rechnung, doch Jenny bestand darauf, sie zu teilen. Dann verließen sie das Lokal. Es war eine ruhige Heimfahrt, aber Banks fühlte sich schuldig, weil er sicher war, die Promillegrenze ein bisschen überschritten zu haben. Wenn sich jemand über die Gefahren von Alkohol am Steuer im Klaren sein sollte, dann doch wohl ein Polizist. Er fühlte sich nicht betrunken, schließlich hatte er nicht viel zu sich genommen, meinte, sich völlig unter Kontrolle zu haben, aber das behaupten alle, wenn die Drogen die Wahrnehmung verändern. Er solle keinen Unsinn reden, sagte Jenny zu ihm, er sei völlig in Ordnung. Als er sie zu Hause rausließ, lud sie ihn nicht zu einem Kaffee ein, und er war froh darum.
Im Bett, beim Versuch einzuschlafen, dachte er, dass Jenny ihn glücklicherweise nicht dazu aufgefordert hatte, seine eigenen Theorien zu dem Fall preiszugeben. Hätte sie es getan, hätte er ihr - im Vertrauen, dass sie es nicht weitergab - von seinem Gespräch am Marine Drive mit Tony Grant erzählt, dessen Aussagen ein ganz neues Licht auf den Fall warfen.
Auf der einen Seite machten Grants Informationen die Möglichkeit eines persönlichen Motives für den Mord an Gill sehr viel wahrscheinlicher. Noch wusste er nicht, wer ein solches Motiv gehabt haben könnte, aber angesichts dessen, was Tim und Abha gesagt hatten, dürfte jeder Teilnehmer der Demonstration - besonders die Organisatoren und ihnen nahe stehende Leute - gewusst haben, dass bei der Demo mit Gill zu rechnen gewesen war. Und mußte Gills Anwesenheit nicht zwangsläufig zu Ausschreitungen führen?
Auf der anderen Seite, ging es Banks durch den Kopf, bestand die Möglichkeit, dass Gill Feinde innerhalb der Polizei hatte und statt eines Demonstranten ein Polizist die Gelegenheit genutzt haben könnte, um ihn loszuwerden. Zum Beispiel jemand, an dessen Frau oder Freundin sich Gill herangemacht hatte. Oder ein Komplize, wenn er in Gaunereien verwickelt gewesen war. Tony Grant hatte das ausgeschlossen, aber er war schließlich nur ein naiver Neuling bei der Polizei.
Mit dieser Theorie würde er bei Burgess auf taube Ohren stoßen, denn sie würde alle politischen Überlegungen vom Tisch fegen. Doch ein anderer Polizist hätte damit rechnen können, dass Gill bei der Demo Ärger verursachen würde, und sich mit ihm für die Überstunden melden können. Und vor allem hätte er im Gegensatz zu einem Demonstranten nicht vor dem Problem gestanden, unbemerkt in den dunklen Gassen entkommen zu müssen. Niemand hat die Polizisten kontrolliert, niemand hat ihre Uniformen nach Gills Blut untersucht.
Vielleicht war dies nur eine der üblichen weit hergeholten Theorien kurz vor dem Einschlafen, die bei Tageslicht völlig absurd erschienen. Aber Banks konnte sie nicht ganz ausschließen. Bei der Londoner Polizei hatte er Männer gekannt, die mehr als fähig dazu waren, einen Kollegen zu ermorden, und in den meisten Fällen hätte das Opfer wahrlich keinen Verlust für die Menschheit dargestellt. Allerdings gab es nur einen Weg, mehr über diese Spur zu erfahren, nämlich indem er Tony Grant noch weiter in die Pflicht nahm. Wenn an dieser Spur irgendetwas dran sein sollte, dann war es umso besser, je weniger Leute von Banks Ermittlung wussten. Dieser Weg könnte gefährlich werden.
Und mit dem Gefühl des warm durch seine Adern fließenden Sauternes und einer kalten, leeren Betthälfte neben sich schlief Banks ein, im Gedanken bei dem Opfer, überzeugt, dass jemand ganz in der Nähe sehr gute Gründe gehabt hatte, Constable Edwin Gills Tod zu wollen.
* SIEBEN
* I
Banks bog auf den Weg zu Gristhorpes altem Bauernhaus am Hang über Lyndgarth ein und fragte sich, was der Superintendent an einem Mittwochmorgen zu Hause machte. Die Nachricht, die von Sergeant Rowe auf seinen Schreibtisch gelegt worden war, enthielt keine Erklärung, sondern nur die Einladung zu einem Besuch.
Als er vor dem gedrungenen,
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