Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Polizeiuniform befanden. Mittlerweile waren die Metallnummern jedoch an den Schulteraufsätzen der Beamten befestigt. Und jetzt sprang ihm Gills Nummer direkt ins Auge: PC 1139.
Er erinnerte sich daran, wie er nach seinem mittäglichen Gespräch mit Mara vom Black Sheep zurückgefahren war. Er hatte Billie Holiday gehört und sich gefragt, welche seiner Worte im Zusammenhang mehr bedeutet haben könnten, als er in dem Moment, da er sie ausgesprochen hatte, begriffen hatte. Jetzt wusste er es. Er hatte Gills Namen erwähnt und gleich darauf in seiner nächsten Frage die Nummer. Beinahe hätte sich beides zusammengefügt und den Kreis geschlossen, aber eben nur beinahe.
Banks legte die Papiere weg, griff nach seinem Mantel und lief hinaus zum Wagen. Es war ein herrlicher Morgen. Noch wehte ein kühler Wind, aber am wolkenlosen Himmel schien die Sonne. Nach dem furchtbaren Spätwinterwetter der letzten Zeit war der Frühlingsgeruch in der Luft, diese seltsame Mischung aus feuchtem Gras und der Fäulnis des letzten Herbstes, fast überwältigend. Er erweckte ein besonderes Erwartungsgefühl und stärkte dadurch spürbar die Lebenskräfte. Dieser Duft ließ in ihm den Wunsch aufkommen, Shakespeares Lieder in der Aufnahme des Deller Consort in seinen Walkman zu schieben und leichtfüßig zur Arbeit zu schreiten. Aber er würde für einen Besuch, den er im späteren Verlauf des Tages machen musste, den Wagen brauchen. Trotzdem kein Grund, dachte er, dem musikalischen Impuls nicht dahin zu folgen, wohin er ihn führte, besonders an einem Tag wie diesem. Also ging er noch einmal zurück ins Haus und suchte die Kassette, um sie im Auto zu hören.
Als er im Büro ankam, war es nach neun. Richmond spielte mit dem Computer, und Hatchley mühte sich mit einem Kreuzworträtsel im Daily Mirror ab. Keine Spur von Dirty Dick. Er ließ sich Kaffee bringen und ging zum Fenster, um hinauszustarren. Offensichtlich hatte das gute Wetter die Leute nach draußen gelockt. Touristen strömten in die Kirche hinein und trotteten wieder heraus, andere, mit Anoraks über warmen Pullovern, saßen auf dem angeschlagenen Sockel des Marktkreuzes und machten mit Schokoriegeln und Tee aus Thermosflaschen bereits ein Päuschen.
Eine Stunde oder länger starrte Banks auf den belebten Platz und versuchte dabei auszutüfteln, warum sich Constable Gills Nummer in Seth Cottons altem Notizbuch befunden hatte. War es überhaupt Cottons Handschrift gewesen? Er untersuchte das Buch erneut. Da nur ein schwacher Abdruck zurückgeblieben war, konnte man es schwer feststellen. Außerdem waren die Ziffern im Gegensatz zum kleineren Gekritzel der meisten Maßangaben übertrieben groß. Sorgfältig rieb er noch einmal mit einem weichen Bleistift über die Seite, ohne jedoch einen besseren Abdruck zu erhalten.
Er erinnerte sich, wie Mara Delacey ihm erzählt hatte, dass Paul häufig mit Seth in dem Schuppen gearbeitet hatte. Also könnte die Nummer genauso gut von ihm aufgeschrieben worden sein. Wenn das der Fall war, dann war Vorsatz im Spiel. Boyds Name war nicht auf der Liste der Beschwerdeführer gegen Gill gewesen, aber das hieß nicht, dass die beiden vorher noch keinen Konflikt gehabt hatten. Ein Vorbestrafter wie Paul würde kaum aufs nächste Polizeirevier laufen und eine Beschwerde einreichen.
Die einzige Sache, deren sich Banks nach zwei Tassen Kaffee und drei Zigaretten sicher sein konnte, war, dass jemand von Maggie's Farm schon vor der Demonstration von Constable Gill wusste und ihn dort erwartete. Die Nummer war mit so viel Druck aufgeschrieben worden, dass sich ihr Abdruck auf der nächsten Seite eingeprägt hatte, und das ließ auf einen gewissen Grad an Leidenschaft und Aufregung schließen. Wer hegte einen Groll gegen Gill? Und wer hatte Zugriff auf Seth Cottons Notizbuch? Eigentlich jeder, denn der Schuppen war nie abgeschlossen. Angesichts der Beweise gegen ihn war Boyd der erste Kandidat, doch Banks zweifelte kaum noch daran, dass er die Wahrheit erzählt hatte, besonders nachdem er auch bei seiner Geschichte geblieben war, als Burgess das Licht ausgeschaltet hatte. Aber wenn Boyd die Wahrheit erzählt hatte, wen würde er eher schützen als Seth, Mara, Rick oder Zoe?
Und was, fragte sich Banks, bedeutete das für Osmond, Tim und Abha?
Tim und Abha hatten bisher als Einzige zugegeben, von Constable Gills Existenz zu wissen, was wahrscheinlich darauf schließen ließ, dass sie nichts zu verbergen hatten.
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