Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
zwei Constables kamen herauf und führten Paul in eine Zelle. Diesmal wehrte er sich nicht, er schien zu wissen, dass es keinen Sinn hatte.
Als sie allein im Büro waren, knöpfte sich Banks Burgess vor. »Wenn Sie noch mal so eine miese Show in meinem Revier abziehen«, sagte er, »dann reiße ich Ihnen den Arsch auf, Scheiß-Superintendent hin oder her.«
Burgess hielt seinem Blick stand, doch Banks spürte, dass er diese Drohung ernster nahm als die von Rick Trelawney.
Nachdem sie diese eisigen Blicke ausgetauscht hatten, lächelte Burgess. »Gut«, sagte er, »ich bin froh, dass wir das geklärt haben. Kommen Sie, ich könnte ein Bier um die Ecke bringen.«
Er legte einen Arm um Banks' Schulter und lotste ihn zur Tür.
* ELF
* I
Am frühen Samstagmorgen wurde Banks vom Klappern des Briefschlitzes und der auf den Teppich knallenden Post geweckt. Sein Mund schmeckte wie der Boden eines Vogelkäfigs und seine Zunge fühlte sich von zu viel Zigaretten und Bier trocken und pelzig an. Nach Boyds Verhör hatten er und Burgess mehr als ein Bier um die Ecke gebracht. Es schien zur Gewohnheit zu werden.
Banks kam immer noch nicht damit zurecht, allein in dem großen Bett aufzuwachen. Er vermisste Sandras warmen Körper, der sich neben ihm regte, und er vermisste das Nörgeln und Jammern von Brian und Tracy, die bereits fertig für die Schule oder einen Einkaufsbummel am Samstagmorgen waren. Aber in ein paar Tagen würden die drei zurück sein. Und mit ein bisschen Glück war der Gill-Fall bis dahin gelöst und er würde ein wenig Zeit mit ihnen verbringen können.
Bei Kaffee und verbranntem Toast - Banks hatte keine Ahnung, warum der Toaster den Toast nur dann verbrannte, wenn er ihn benutzte - schaute er die Post durch: Zwei Rechnungen, ein Brief sowie eine neue Blueskassette von Barney Merritt, einem alten Freund von der Londoner Polizei. Und zu guter Letzt genau das, worauf er gewartet hatte: Das Paket von Tony Grant.
Die Informationen, die Grant handschriftlich aus Constable Gills Akte übertragen hatte, erwiesen sich als interessante Lektüre. Seit einem Einsatz bei der Überwachung der Streikposten der Kokerei in Orgreave während des Streiks der Minenarbeiter 1984 hatte sich Gill für nahezu jede Demonstration in Yorkshire auf Überstundenbasis freiwillig gemeldet. Proteste vor amerikanischen Raketenstützpunkten, Demonstrationen gegen Südafrika oder Versammlungen der National Front, er war bei jedem Einsatz dabei, der leicht in ein Gerangel ausarten konnte. Gill war bestimmt nicht der Einzige, aber er schien genau zu der Sorte Mensch gehört zu haben, deren Karriere vom Schulhofrabauken nahtlos zum legitimierten Schläger überging. Banks wäre nicht überrascht gewesen, wenn er sich für jedes Opfer eine Kerbe in seinen Schlagstock geritzt hätte.
Es hatte auch Beschwerden über ihn gegeben, hauptsächlich wegen übertriebener Gewaltanwendung gegen bereits überwältigte Demonstranten. Aber es waren überraschend wenige gewesen, und nie hatte man ernsthaft etwas gegen Gill unternommen. Die interessanteste Beschwerde kam von Dennis Osmond, der Gill wegen unnötiger Gewalt bei einer Demonstration zur Unterstützung der Frauenvereinigung von Greenham vor zwei Jahren angezeigt hatte. Ein weiterer vertrauter Name auf der Liste war Elizabeth Dale, die Gill beschuldigt hatte, während einer friedlichen AntiAtomkraft-Demonstration in Leeds willkürlich auf sie und ihre Freunde eingeschlagen zu haben. Banks konnte sie nicht sofort einordnen, denn sie schien nicht zu den Leuten um Paul Boyd und Dennis Osmond zu gehören. Doch er kannte den Namen. Er machte sich eine Notiz und las dann sorgfältig den Rest des Materials. Keine weiteren Namen stachen hervor.
Doch die wichtigste Information, die Banks aus den Akten zog, hatte nichts mit Gills Verhalten zu tun. Eigentlich lag sie auf der Hand, und er fluchte lauthals über sich, dass er nicht früher darauf gekommen war. Wie die meisten Polizisten, besonders die zivilen Ermittler, kannte er seine Kollegen bei ihrem Namen, selbst die uniformierten. Für Außenstehende war das jedoch eine andere Angelegenheit. Wie konnte ein normaler Bürger einen bestimmten Polizeibeamten in einer Beschwerde oder gar in anerkennenden Briefen benennen? Er konnte es nicht. Deshalb waren die Dienstnummern so wichtig. Sie wurden »Kragennummern« genannt, weil sie sich ursprünglich auf den schmalen Stehkragen der früheren
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