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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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aus. Plötzlich begann sie sich furchtbar deprimiert und angewidert zu fühlen. Sie erinnerte sich daran, dass sie Banks gegenüber behauptet hatte, sie würde über Weihnachten nach Hause nach Sheffield fahren. Sie hatte nicht die Absicht, hinzufahren. Sie würde anrufen und ihren Eltern erzählen, sie könne nicht kommen, weil sie gerade an einem wichtigen Fall arbeite. Einem Mord. Und sie würde den Tag in ihrer Wohnung damit verbringen, Hausarbeiten zu erledigen und dieses neue amerikanische Buch über Methoden der Mordermittlung zu lesen. Sie hatte eine Dose Spaghetti und eine Tiefkühlmahlzeit mit Huhn, genug zu essen also, um das Haus nicht verlassen und riskieren zu müssen, von jemandem gesehen zu werden. Da sie nur ungefähr einen Kilometer von Banks entfernt wohnte, war sie gezwungen, vorsichtig zu sein.
      Ihre Geschenke hatte sie schon vor Tagen gekauft und eingepackt. Sie würde versuchen, nächste Woche oder zu Beginn des kommenden Jahres zu Hause vorbeizufahren. Besuche ohne feierlichen Anlass fielen ihr irgendwie leichter. Die erzwungene Heiterkeit der Feiertage verschlimmerte nur ihre Beklommenheit. Aus dem gleichen Grund hatte sie auch immer Silvesterpartys gehasst und gemieden.
      Das Fernsehbild sah immer noch verschwommen aus. Wenn sie ihre Augen schloss, drehte sich die ganze Welt und schien sie in einen Strudel zu ziehen, der ihr den Magen umdrehte. Schnell öffnete sie die Augen wieder. Ihr war übel, aber sie konnte einfach nicht aufstehen. Beim dritten Versuch kamen ihre Gedanken zur Ruhe und sie fiel in einen unruhigen Schlaf.
      Im Traum zog sie in ein Zimmer wie das, in dem Gary Hartley lebte, und nannte es ihr Zuhause. Ein dunkler, kalter Raum mit hohen Decken, der, während sie dort stand, in sich zusammenfiel. Und als sie auf die weit entfernt liegende Wand schaute, war es überhaupt keine Wand, sondern ein Geflecht aus Spinnweben, hinter denen sich bis ins Unendliche weitere verwahrloste Zimmer mit staubigen Bodenbrettern und Wänden, an denen der Putz abbröckelte, erstreckten. Als sie hinüberging, um sich die Sache genauer anzusehen, fiel eine riesige, fette Spinne von der Decke und blieb nur wenige Zentimeter vor ihrer Nase hängen. Sie schien sie anzugrinsen.
      Susan wachte von ihrem eigenen Schrei auf. Als sie wieder bei Bewusstsein war, wurde ihr klar, dass sie schon seit geraumer Zeit darum gekämpft hatte, aus dem Albtraum herauszukommen. Ihre Kleidung war zerknittert und ihre Stirn war von einem kalten Schweißfilm bedeckt. Verzweifelt schaute sie sich im Zimmer um. Gott sei Dank war es noch dasselbe. Trostlos, leer, unpersönlich, aber dasselbe.
      Sie wankte in die Küche und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Zu viel getrunken. Dieses Old Peculier war starker Stoff. Und zudem hatte Richmond darauf bestanden, ihr einen Brandy und einen Piccolo zu spendieren. Kein Wunder, dass sie sich so fühlte. Sie nannte sich eine Närrin und hoffte inständig, dass sie sich vor den anderen nicht zur Idiotin gemacht hatte.
      Sie schaute auf die Uhr: genau sieben. Trotz des dumpfen Schmerzes hinter ihren Augen fühlte sich ihr Kopf jetzt ein wenig leichter an.
      Das Panikgefühl, das er ausgelöst hatte, konnte sie jedoch nicht abschütteln. Sie machte Tee, lief, während das Wasser kochte, im Zimmer umher und zappte durch die Fernsehkanäle. Dann, wie aus heiterem Himmel, begriff sie plötzlich, dass sie etwas gegen die Leere und Tristesse ihrer Wohnung unternehmen musste. Sie konnte nicht nach Hause fahren, aber sie konnte Weihnachten auch nicht in einer so erbärmlichen Umgebung verbringen. Der Besuch bei Gary Hartley hatte sie weitaus mehr mitgenommen, als ihr zuerst bewusst gewesen war.
      In Panik, dass es zu spät sein könnte, schaute sie erneut auf ihre Uhr. Zwanzig vor acht. Ein paar Geschäfte im Einkaufszentrum würden heute Abend doch wohl länger aufhaben? Von Jahr zu Jahr schien Weihnachten kommerzieller zu werden. Die Gelegenheit, an Heiligabend mit all den verzweifelten Kunden Geschäfte zu machen, die in letzter Minute voller Schuldgefühle angelaufen kamen, weil sie jemanden vergessen hatten, würden sie sich nicht entgehen lassen. Susan hatte niemanden vergessen, außer sich selbst. Sie packte ihren Mantel und stürzte zur Tür. Noch war es nicht zu spät. Es durfte einfach nicht zu spät sein.
     
     

* FÜNF
     
    * I
     
    Der erste Weihnachtstag verlief bei den Banks' nicht anders als bei anderen Familien: Es gab eine Menge Wirbel und zu

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