Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
erzählt, dass sie ihre schon heute auspacken darf. Ach, komm schon, Dad. Bitte!«
»Nein!« Banks dachte gar nicht daran, wegen Laura Collins eine lebenslange Tradition zu ändern. Tracy schmollte eine Weile, aber es war nicht ihre Art, lange beleidigt zu sein.
Brian blieb ruhig, so als wäre es ihm ganz egal, ob er ein Geschenk bekam. Sein gesamtes Interesse galt der Popmusik, und Banks hatte ihm eine gebrauchte Gitarre gekauft, die er in einem Schaufenster entdeckt hatte. Natürlich würde man künftig mit ein bisschen Krach rechnen müssen. Banks hatte nicht viel für den Musikgeschmack seines Sohnes übrig, wollte aber den künstlerischen Ambitionen des jungen Mannes keinesfalls im Wege stehen. Wie zu Gott führte auch der Weg zur Muse über verschlungene Pfade; raue Popmusik inspirierte einen jungen Menschen vielleicht dazu, Gitarre spielen zu lernen, doch die Vorlieben ändern sich und er könnte sich später sehr wohl dem Jazz, Blues oder der klassischen Musik zuwenden.
Tracys Wünsche waren wesentlich unbestimmter, aber Banks und Sandra waren sich darin einig, anzuerkennen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. Immerhin war sie bereits fünfzehn, und obwohl ihr Interesse an Geschichte ungebrochen geblieben war und sich mittlerweile sogar auf die Literatur ausgedehnt hatte, trat in ihre Augen nun ein ganz neuer Ausdruck, wenn das Thema Jungen aufkam. Außerdem war Banks aufgefallen, dass sich das Popstarposter still und heimlich an die Wand über ihrem Bett vorgearbeitet hatte. Statt Büchern hatten sie ihr daher ein paar modische, neue Kleider und einen Schminkkasten gekauft. Wenn Banks heute seine Kinder anschaute, dann mit einem Anflug von Traurigkeit im Herzen. Im nächsten Jahr würde er vierzig werden und bald würden sie ihn nicht mehr brauchen und vollständig auf eigenen Füßen stehen.
Nach einem schmackhaften Rindfleischeintopf mit Klößen, einer bewusst einfach gehaltenen Mahlzeit, um die morgige Schlemmerei auszugleichen, kam die Zeit des Abends, in der sich Banks langsam entspannen konnte. Die Kinder waren in ihren Zimmern beschäftigt, der Fernseher war ausgeschaltet, er hatte sich einen guten Scotch eingeschenkt, leise Musik aufgelegt und saß neben Sandra auf dem Sofa. Als er aufstand, um sein Glas nachzufüllen, erinnerte er sich an das Foto, das er gemeinsam mit dem Bericht, den ihm Vic Manson am Nachmittag geschickt hatte, in seiner Tasche mit nach Hause gebracht hatte. Er hatte es sich noch gar nicht genau angesehen, aber irgendetwas daran beschäftigte ihn. Vielleicht konnte ihm Sandra mit ihrem Wissen über Fotografie weiterhelfen. Er nahm das Foto aus der Tasche und reichte es ihr.
»Was hältst du davon?«
Sandra betrachtete das Bild von nahem, dann hielt sie es ein Stück weit von sich weg. »Meinst du, technisch gesehen?«
»Sag einfach alles, was dir dazu einfällt.«
»Nun, es ist auf jeden Fall gut gemacht, eine professionelle Arbeit. Man erkennt es an der Beleuchtung und daran, wie der Fotograf es geschafft hat, es wie eine entspannte Pose wirken zu lassen. Sie sieht sehr ehrgeizig aus. Eine auffällige Frau. Gutes Fotopapier außerdem.«
»Warum lässt jemand so ein Foto machen?«
»Viele Leute lassen Porträts von sich machen ... aber ich verstehe, was du meinst.«
»Da steckt mehr dahinter, aber ich weiß nicht genau, was«, sagte Banks. »Irgendwie habe ich den Eindruck, dass es mehr als ein Porträt ist. Ich habe gehofft, dass du vielleicht eine Idee hast.«
»Mmmh. Dieser Blick. Sehr intelligent, ein bisschen überheblich. Ich frage mich, ob das an ihr liegt oder am Fotografen.«
»Was meinst du?«
»Manche Fotografen fangen in ihren Porträts wirklich das Wesen der Person ein, andere aber kreieren eine Art Image - wenn sie Popstars aufnehmen oder für die Werbung arbeiten. Ich bin mir aber nicht sicher, wie es sich bei diesem hier verhält.«
»Das ist es!« Banks schlug auf die Stuhllehne. »Ein Image. Eine Pose. Warum will jemand, dass der Fotograf ein Image kreiert?«
Sandra legte das Foto vorsichtig auf den Kaffeetisch. »Aus Publicitygründen, nehme ich an.«
»Genau. Es muss irgendein Publicityfoto sein. Damit haben wir die Chance, sie aufzuspüren.«
»Musst du diese Frau finden?«
»Ja.«
»Dann hast du eine verdammt schwierige Aufgabe vor dir. Das Foto könnte für alles Mögliche aufgenommen worden sein - Modenschauen, Film, Theater.«
Banks schüttelte
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