Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
den Kopf. »Caroline war am Theater interessiert, auch wenn ich den Eindruck habe, dass sie diese Leidenschaft noch nicht lange hatte. Trotzdem könnte die Frau Schauspielerin sein. Sie ist zwar attraktiv, aber sie ist kein Modell. Du hast es selbst gesagt - der intelligente Blick, der arrogant zur Seite geneigte Kopf. Und Veronica Shildon sagte, dass diese Frau Gedichte schrieb.«
»Für einen Buchumschlag also?«
»An so etwas habe ich gedacht. Es könnte ein Publicityfoto für die Lesereise einer Autorin sein. Damit müsste sich unsere Suche etwas einengen. Wir können bei Verlegern oder Theateragenten nachfragen.« Banks hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort. »Apropos Caroline Hartley, hast du sie mal kennen gelernt?«
»Ich habe sie ein paarmal im Kreis der Gruppe erlebt, wenn ich spät aus der Galerie kam und mit Marcia was trinken gegangen bin. Aber ich kannte sie nicht. Gesprochen habe ich nie mit ihr.«
»Was hattest du für einen Eindruck von ihr?«
»Ich kann dir nur sagen, wie sie sich im Pub verhalten hat. Sie war sehr schön. Man kam gar nicht umhin, ihre reine Haut und ihre Augen zu bemerken. Und sie darum zu beneiden.« Sandra legte ihre Hand auf ihre eigene Wange, die Banks immer als weich und makellos empfunden hatte. »Äußerlich erinnerte sie mich immer ein bisschen an die Schauspielerin, die in dieser alten Verfilmung die Julia gespielt hat. Wie hieß sie noch? ... Olivia Hussey. Und meistens war sie lebhaft und sprühte vor Energie. Obwohl sie auch ihre stillen Momente zu haben schien, so als könne sie manchmal nicht die Kraft zur Lebhaftigkeit aufbringen.«
»Stille Momente?«
»Ja. Ich erinnere mich nur, dass sie manchmal ins Leere starrte und ein wenig verloren aussah. Nie für lange, denn immer war jemand dabei, der ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Aber es war erkennbar.«
»Schien sie jemand anderem in der Gruppe besonders nahe zu stehen?«
»Weiß ich nicht. Sie sprach und lachte mit allen, aber nur auf eine unbestimmte, freundliche Weise.«
»Hast du mal erlebt, dass sie sich mit jemandem gestritten hat?«
»Nein.«
»Wusstest du, dass sie lesbisch war?«
»Nicht bevor du es mir erzählt hast. Und wie sollte ich auch?«
»Keine Ahnung. Ich habe mich nur gefragt, ob es für dich irgendwie offensichtlich war.«
»Nein.«
»Ist dir mal aufgefallen, dass sich jemand an sie herangemacht hat?«
Sandra lachte. »Ja, fast alle Männer.«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Ich würde sagen, sie hat gut mitgespielt. Wenn ich überhaupt etwas darüber gedacht hätte, dann, dass sie flirten wollte und es ein bisschen ausgereizt hat. Aber jetzt kenne ich ja die Wahrheit.«
»Selbstschutz, nehme ich an. Und mit den Frauen?«
Sandra schüttelte den Kopf. »Ich habe nie was bemerkt.«
»Ist James Conran gewöhnlich mit in den Pub gekommen? Er ist der Einzige, den ich neben Marcia, der Ausstatterin, bisher kennen gelernt habe.«
»Gewöhnlich ja. Er macht einen ganz angenehmen Eindruck. Ein wenig theatralisch und nervös. Trinkt eine Menge. Ich meine, viele Schauspieler sind ja eher schüchtern, oder? Sie müssen sich voll laufen lassen und Rollen spielen, um sich ausdrücken zu können. Außerdem ist er ein Witzbold. Nichts Schlimmes - er arrangiert es zum Beispiel nur gerne so, dass in deinem Drink nur Tonic ist und kein Gin. Oder er lässt dir durch den Barmann ausrichten, dass dein Lieblingsessen aus ist. Außerdem würde ich sagen, dass er ein Charmeur ist. Du weißt schon, dieser verletzliche Blick, ganz der hingebungsvolle, leidende Künstler. Aber ich wette, das er sich im Grunde seiner selbst ziemlich sicher ist. Er glaubt bloß, die Nummer zieht. Und ich weiß mit Sicherheit, dass er was mit Olivia hatte.«
»Welche Olivia?«
»Ihren richtigen Namen kenne ich nicht. Die Schauspielerin, die die Olivia spielt. Eines Abends hatten sie im Pub einen kleinen Streit, im Flur, der zu den Toiletten führt, und da habe ich zufällig etwas davon mitbekommen. Sie glaubte anscheinend, jetzt, wo er bekommen hatte, was er wollte, wäre er nicht mehr interessiert an ihr; und sie behauptete, das mache ihr nicht das Geringste aus, denn es hätte ihr ohnehin nicht gefallen.«
»Wann war das?«
»Zu Beginn der Proben. Genau weiß ich es nicht mehr. Vielleicht Mitte November?«
»Hat er bei dir mal Annäherungsversuche gemacht?«
»Nein. Er wusste, dass ich
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