Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
Wohnzimmerfenster stand, aber ich bin nicht darauf gekommen. Vielleicht habe ich ein Geräusch oder so was gehört ...« Er schlug sich an den Kopf. »Das ist es! Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe Musik gehört und bin rausgegangen, um nachzusehen, ob Sternsinger in der Straße sind. Die sind hier wirklich lästig gewesen.« Es klang, als würde er über eine Rattenplage sprechen. »Ich denke, für dieses Jahr habe ich ihnen schon genug zugesteckt. Wenn Sie mich fragen, sollte diese Singerei auf Heiligabend beschränkt werden. Wie auch immer, es war jedenfalls nur meine Frau, sie hatte das Radio angemacht.«
»Können Sie sich an die Zeit erinnern?«
»Nein. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann ich mich nur daran erinnern, >Away in a Manger< gehört zu haben und zum Fenster gegangen zu sein. Aber an unserer Tür war niemand. Ich bemerkte eine Frau, die in das Haus auf der anderen Straßenseite ging, in das Haus, in dem die Frau ermordet wurde.«
»Können Sie Ihrer früheren Beschreibung etwas hinzufügen?«
»Leider nicht. Das passierte alles so schnell. Ich muss zugeben, dass ich beim Gedanken an noch mehr Sänger ziemlich wütend war und die Gestalt nur flüchtig registriert habe.«
»Aber Sie sind sicher, dass es eine Frau war?«
»Nun, diese trug einen leichten Mantel, mit Gürtel, glaube ich, denn er saß tailliert und er reichte bis zu den Waden. Und sie trug eindeutig keine Hosen. Ich meine auch, den Saum eines Kleides oder Rockes gesehen zu haben, so als wenn der Mantel etwas kürzer als das Kleid war. Und darunter konnte man ihre Beine sehen.«
»Was ist mit der Körpergröße? Können Sie da was sagen?«
»Ein bisschen größer als die Frau, die an die Tür kam - Caroline Hartley.«
»Haare?«
Er schüttelte den Kopf. »Auch sie hatte einen Schal um den Kopf gebunden.«
»Und diese Frau hat mit Sicherheit das Haus betreten?«
»Ja. Als ich sie erblickte, ging sie gerade rein.«
»Also haben Sie Caroline Hartleys Reaktion auf den Besuch nicht mitbekommen?«
»Nein, gar nicht. Diesmal konnte ich Caroline überhaupt nicht sehen, sondern nur die Umrisse der anderen Frau, als sie durch die Tür ging.«
»Also muss Caroline sie gar nicht selbst hereingelassen haben?«
»Das wäre wohl möglich. Aber es sah überhaupt nicht verdächtig aus. Sie schien die Tür nicht aufzustoßen und ich konnte auch nichts hören, was darauf hinwies, dass sich jemand gewaltsam Zutritt verschaffte. Mir kam das alles völlig normal vor. Ich versuche, ein verantwortungsvoller Nachbar zu sein. Wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass es dort drüben Ärger gibt, hätte ich sofort die Polizei gerufen.«
»Haben Sie beobachtet, wie die Frau wieder gegangen ist?«
»Nein. Aber ich habe danach auch nicht wieder aus dem Fenster geschaut. Jeder könnte zwischen halb acht und dem Zeitpunkt, als ... nun, Sie wissen schon ... also, da könnte jeder gekommen oder gegangen sein.«
Banks trank seinen Port aus und stand auf. »Danke, dass Sie so kooperativ waren, Mr Farlowe. Danke auch für den Port. Der war sehr gut.«
Farlowe lächelte. »Ja, nicht schlecht, was? Jahrgang dreiundsechzig.« Schwerfällig wie ein Seehund an Land versuchte er, aus seinem Sessel zu kommen.
»Bemühen Sie sich nicht«, sagte Banks. »Ich finde den Weg allein.«
»Oh, sehr gut, schön. Wiedersehen.« Und als er das Zimmer verließ, bemerkte Banks, wie Mr Farlowe wieder nach der Karaffe langte. Ein klassischer Gichtkandidat, der Mann. In Oakwood Mews gab es anscheinend eine Menge Schluckspechte.
Auf dem Weg nach draußen traf er Mrs Farlowe in der Diele. Sie hatte an dem Abend nichts gesehen, konnte ihm aber sagen, dass im Radio der Sender Radio Drei gelaufen war, wie immer, wenn sie es anschaltete. Nein, an die Zeit konnte sie sich nicht erinnern, aber ihr Mann hatte Recht. Bei der Sendung hatte es sich um ein Konzert mit Weihnachtsliedern aus King's College gehandelt. »Away in a Manger« war gespielt worden. Ein schönes Stück, nicht wahr? Banks stimmte ihr zu und verabschiedete sich.
Von Mrs Eldridge in Nummer acht erhielt Banks keine weiteren Informationen. Sie hatte beobachtet, wie zuerst ein Mann hineingegangen war und dann um Viertel nach sieben eine Frau geklopft hatte. Nein, sie hatte nicht bemerkt, dass der Mann in der Zwischenzeit gegangen war, die Frau in dem kurzen Mantel und den engen Jeans hatte jedoch das Haus bestimmt
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