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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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nicht betreten. Und es handelte sich dabei nicht um dieselbe Frau, die später erschienen war. Die war etwas größer gewesen und außerdem anders gekleidet. Statt Jeans trug sie eine Art langes Kleid unter ihrem Mantel. Wenn Patsy Janowski also nicht losgeflitzt war, die Kleidung gewechselt und ihrer Körpergröße in der Zwischenzeit ein paar Zentimeter hinzugefügt hatte, dann konnte die dritte Besucherin wohl nicht sie gewesen sein.
      Er musste wissen, wer diese dritte Frau war. Wenn nicht noch jemand nach ihr gekommen war, jemand, den niemand beim Ankommen beobachtet hatte, und Claude Ivers nicht die ganze Zeit im Haus gewesen war und jemand gesehen hatte, dass er es verlassen hatte, dann war sie fast mit Gewissheit diejenige, die Caroline Hartley getötet hatte. War es Veronica Shildon, wie Susan angedeutet hatte? Banks glaubte es nicht; ihre Liebe und ihre Trauer erschienen ihm echt, aber er musste noch einmal mit ihr sprechen. Es gab noch eine Menge Dinge zu klären, bevor er hoffen konnte, die Menschen - und damit auch die Motive - zu verstehen, die in diesen Fall verwickelt waren.
      Doch eine kleine, nützliche Information hatte er heute Abend mitgenommen. Sowohl Mr als auch Mrs Farlowe hatten ausgesagt, dass die dritte Frau das Haus betreten hatte - ob nun gebetenermaßen oder auf andere Weise -, als »Away in a Manger« in Radio Drei gespielt wurde. Durch die regionale BBC-Sendezentrale müsste herauszufinden sein, um welche Zeit die Sendung begonnen hatte, in welcher Reihenfolge die Lieder während des Konzerts gespielt worden waren und wie lang jedes einzelne gedauert hatte. Mit diesen Informationen könnte man dann leicht feststellen, um welche Zeit genau die mysteriöse dritte Frau Caroline Hartleys Haus betreten und sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, mit einem Küchenmesser erstochen hatte.
     
     

* ACHT
     
    * I
     
    Banks spazierte gemächlich am Fluss entlang. Er trug seine mit Pelz gefütterte Wildlederjacke, hatte den Kragen hochgeschlagen und die Hände tief in den Taschen vergraben. Beim Gehen atmete er Dunstwolken aus. Der Fluss war nicht vollständig zugefroren, in den Kanälen zwischen den grauen Eisklumpen paddelten wie immer ein paar Enten, denen die Kälte anscheinend nichts ausmachte.
      Während er so dahinspazierte, dachte er an den Erfolg, den er heute Morgen bei der BBC gehabt hatte. Eine eifrige, junge Dokumentalistin im lokalen Studio hatte sich die Mühe gemacht, die Aufnahme des Konzerts mit Weihnachtsliedern vom 22. Dezember auszugraben und unter Zuhilfenahme einer Stoppuhr durchzuhören. Die Sendung hatte um Punkt sieben Uhr angefangen. »Away in a Manger« begann ungefähr in der Mitte der Sendung, genau gesagt um 19.21 Uhr, und endete zwei Minuten und vierzehn Sekunden später. Banks staunte über diese Präzision. Mit einem solchen Gespür für exakte Messungen stand der jungen Frau vielleicht eine Zukunft im Guinness-Buch der Rekorde oder beim Olympischen Komitee bevor. Wie auch immer, jetzt wussten sie, dass Carolines mutmaßliche Mörderin zwischen 19.21 Uhr und 19.24 Uhr hereingelassen worden war.
      Außerdem wussten sie, dass es nicht Charles Cooper war. Richmond hatte mit den Stammgästen in Tan Hill gesprochen und konnte sein Alibi bestätigen: Cooper hatte am 22. Dezember zwischen halb sieben und halb elf getrunken, außerdem auch an den meisten anderen Abenden vor den Feiertagen. Zu jeder anderen Jahreszeit würde es ihm wesentlich schwerer fallen, seiner Frau die langen Abwesenheiten zu erklären, dachte Banks.
      Banks begann wieder über das Opfer nachzudenken, über Caroline Hartley, und merkte, dass er noch nicht viel über sie wusste. Mit sechzehn war sie von zu Hause weggelaufen und nach London gegangen, war schwanger geworden, hatte sich eine Verurteilung wegen Prostitution eingehandelt, war zurück in den Norden gekommen und zuerst mit Nancy Wood, die mittlerweile entlastet war, und dann mit Veronica Shildon zusammengezogen. Anziehend sowohl für Männer als auch für Frauen, aber am Ende nur noch an Letzteren interessiert, lebhaft und enthusiastisch, aber auch mit nachdenklichen, geheimnisvollen Stimmungen, eine angehende Schauspielerin, eine gute Imitatorin. Das war schon alles. Diese Informationen deckten zehn Jahre im Leben der Frau ab, sagten aber so gut wie nichts aus. Es musste noch mehr geben, und herausgefunden werden konnte es nur - da Carolines Freundeskreis und Familie entweder nichts sagen wollten oder nichts wussten - in

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