Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
in blindem Zorn zum Mord getrieben hatte.
Er wandte sich vom Fluss ab und begann, den Hügel an den Gartenanlagen vorbei und um das Schloss herum wieder zum Marktplatz zu gehen. Wieder im Revier, sah er, als er vom Treppenhaus gerade in den Flur bog, der zu seinem Büro führte, Susan Gay mit einem flatternden Blatt Papier in der Hand auf ihn zustürzen. Sie schaute wie eine Katze, die gerade eine Maus verspeist hatte. Ihre Augen funkelten vor Erfolgsstolz.
»Gefunden«, verkündete sie. »Ruth. Ein kleines Londoner Verlagshaus, Sappho Press. Ich habe ihnen das Foto gefaxt, und sie sagten, sie hätten es für einen Schutzumschlag und für die Presse benutzt.«
»Gute Arbeit«, lobte Banks. »Sagen Sie mal, wie kamen Sie darauf, von den Dutzenden, die wir aufgelistet haben, gerade diesen Verlag anzurufen?«
Susan sah verwirrt aus. »Ich bin das Alphabet durchgegangen und bis S gekommen. Ich habe den ganzen Morgen gebraucht.«
»Wissen Sie, wer Sappho war?«
Susan schüttelte den Kopf.
Gristhorpe würde es wissen, dachte Banks, aber man konnte kaum von jedem, der zur Polizei wollte, einen Abschluss in klassischer Literatur verlangen. Andererseits wäre das vielleicht gar keine so schlechte Idee: eine Eliteeinheit von literarisch gebildeten Polizisten.
»Sie war eine griechische Dichterin der Antike von der Insel Lesbos«, erklärte er.
»Ist das ...?«, begann Susan.
Banks nickte.
Sie errötete. »Tja, ich würde sagen, da hatte ich einen literarischen Riecher, wie bei Agatha Christie«, bekannte sie, »aber nur durch ehrliche, harte Schinderei.«
Banks lachte. »Trotzdem gut gemacht. Erzählen Sie mir die Einzelheiten.«
»Ihr Name ist Ruth Dünne und anscheinend hat sie ein paar Bücher veröffentlicht. In der Lyrikszene ist sie damit ziemlich bekannt geworden. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, sagte, dass vielleicht bald größere Verleger sie umwerben werden. Faber and Faber zum Beispiel.«
»Was schreibt sie für Sachen?«
»Nun, das ist ein Thema für sich. Man erzählte mir, dass sie am Anfang Texte geschrieben hat, die die Leute von Sappho Press unterstützen. Ich hatte bereits angenommen, es würde sich um feministisches Zeug handeln, aber jetzt, wo Sie mir sagen, dass ... Egal, sie hat ihre Richtung geändert, hat man mir mitgeteilt, und es sieht so aus, als würde sie sich gerade auf ein breiteres Lesepublikum zubewegen - was auch immer das heißen mag.«
»Haben Sie Caroline Hartley erwähnt?«
»Ja. Und das war komisch. Die Lektorin hat den Namen wiedererkannt. Sie hat es nachgeprüft und mir dann erzählt, dass Ruth Dünnes zweites Buch einer Caroline gewidmet war. Ist es nicht seltsam, dass wir keine Ausgabe davon unter den Sachen des Opfers gefunden haben?«
»Sie reiste gern mit leichtem Gepäck«, meinte Banks. »Trotzdem, wenn wir das Buch gefunden hätten, wäre es leichter für uns gewesen. Vielleicht haben sich die beiden einfach aus den Augen verloren.«
Susan reichte ihm das Papier. »Auf jeden Fall wohnt sie in Kennington. Hier ist die Adresse. Und jetzt?«
»Ich fahre morgen zu ihr. Es gibt da ein paar Dinge, über die ich mit Ruth Dünne sprechen möchte. Sie ist bisher unsere einzige Verbindung zu Caroline Hartleys Kind und ihrem Leben in London. Sie kann uns bestimmt eine ganze Menge erzählen.«
* II
Vielleicht übertreibe ich ein bisschen, sagte Susan später am Abend zu sich selbst. Sie versuchte zu entscheiden, was sie zu ihrer ersten richtigen Verabredung mit James Conran anziehen sollte, aber sie musste immer wieder über die Ereignisse der letzten zwei Tage nachdenken. Banks hatte bei Claude Ivers einen so ruhigen und selbstsicheren Eindruck gemacht. Wenn Susan sich selbst überlassen gewesen wäre, dann wäre sie in sein Arbeitszimmer gestürmt.
Außerdem bezweifelte sie, dass sie aus Redburn weggefahren wäre, ohne sowohl Ivers als auch die Janowski für ein längeres Verhör mit ins Revier genommen zu haben. Schließlich hatten sich beide zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe von Caroline Hartleys Haus in Oakwood Mews aufgehalten und beide hatten diesen Umstand verschwiegen. Banks' Fixierung auf die Schallplatte und die Bedeutung der Musik konnte sie nicht verstehen. Nach ihrer Erfahrung waren Kriminelle nicht intelligent genug, um geistreiche musikalische Fährten zu legen. Solche Sachen passierten nur in den Detektivgeschichten, die sie als Teenager gelesen hatte.
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