Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
Geburtstag geschenkt hatten, aber sie hörte immer nur Radio. Sie besaß nicht eine Platte oder Kassette.
Es klingelte an der Tür. Tja, dachte sie, als sie in ihren Mantel schlüpfte, vielleicht ist es Zeit, dass ich irgendwo anfange. Eine hübsche Landschaft an der Wand da drüben, ein Druck von Constable oder so etwas, ein paar Porzellanfiguren auf dem Kaminsims, ein paar Bücher - und eine Platte mit der Musik, die Banks gestern auf dem Rückweg von Redburn in seinem Wagen gespielt hatte. Als er sie gefragt hatte, welche Musik sie hören wolle, war sie verlegen geworden und hatte sich ungebildet gefühlt, denn sie hatte keine Ahnung. Sie hörte Musik im Radio, Pop und Klassik, und manches davon gefiel ihr auch, aber die Namen der Interpreten und die Titel der Stücke konnte sie sich nie merken.
Aus irgendeinem Grund hatte sie sich Musik mit Gesang gewünscht und Banks hatte eine Kassette mit Kiri Te Kanawa und den Höhepunkten aus Madame Butterfly ausgewählt. Selbst Susan hatte schon von Kiri Te Kanawa gehört, der Sopranistin aus Neuseeland, die bei der Hochzeit von Prince Charles und Lady Di gesungen hatte. Besonders ein Lied hatte ihr Schauer über den Rücken gejagt und die Nackenhaare aufgerichtet. Banks hatte ihr erzählt, dass die Heldin sich in dieser Arie die Rückkehr ihres Geliebten vorstellte. »One Fine Day« - Susan hatte sich den Titel gemerkt und wollte sich morgen als erstes Stück ihrer zukünftigen Sammlung diese Platte kaufen. Vielleicht würde sie auch versuchen herauszufinden, was in der Geschichte passierte: Kehrte der Liebhaber zurück, wie es sich Madame Butterfly erträumte?
Es klingelte erneut. Susan ging hinunter zur Haustür und begrüßte James. Er sagte ihr, sie sehe wunderschön aus. Sie glaubte ihm nicht, aber als sie in seinen Wagen stiegen und in die kalte Nacht fuhren, fühlte sie sich großartig.
* III
»Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte Veronica Shildon, als sie Banks hereinließ. Er schaute sich um. Von Unordnung war nichts zu sehen. Er setzte sich. Veronica stand mit verschränkten Armen in der Küchentür.
»Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass wir die Frau auf dem Foto aufgespürt haben«, erklärte Banks.
Veronica verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Ja?«
»Ihr Name ist Ruth Dünne. Sie ist Dichterin, so wie Sie sagten. Ihre Bücher erscheinen in einem kleinen feministischen Verlag und sie lebt in London.«
»Haben Sie ihre Adresse?«
»Ja.«
»Danke, dass Sie mich benachrichtigen, Chief Inspector. Mir ist klar, dass es möglicherweise gegen Ihr Berufsethos verstößt.«
»Ms Shildon, ich verstoße nie gegen mein Berufsethos.« Seine Augen funkelten beim Lächeln.
»Ich ... ich wollte nicht...«
»Schon in Ordnung.«
»Möchten Sie einen Tee? Ich wollte gerade welchen machen.«
»Ja, gerne. Es ist ein bisschen frisch draußen.«
»Oder wollen Sie lieber etwas Stärkeres ...?«
»Nein, Tee ist genau richtig.«
Während Veronica Tee kochte, sah Banks sich im Zimmer um. Es befand sich im Wandel. Vor allem gab es kaum noch eine Sitzgelegenheit. Die Sitzgarnitur war verschwunden, nur noch ein paar harte Stühle standen am Tisch vor dem Fenster. Außerdem war die Anrichte umgestellt worden, und der Weihnachtsbaum und die gesamte Dekoration waren weg, obwohl erst der 29. Dezember war. Banks fragte sich, ob Veronica das alles allein getan haben konnte.
»Haben Sie mit ihr gesprochen?«, wollte Veronica wissen, als sie das Tablett auf den Tisch stellte und sich ihm gegenübersetzte.
»Nein, noch nicht. Ich werde morgen früh runterfahren. Es wäre unklug, sie vorher anzurufen.«
»Sie halten sie doch nicht etwa für tatverdächtig?«
»Bis ich das Gegenteil herausfinde, ist sie tatverdächtig, und wenn sie glaubt, sie habe nichts zu befürchten, möchte ich ihr keinen Grund zur Flucht geben.«
»Ihr Job muss furchtbar sein«, bemerkte Veronica.
»Manchmal. Aber nicht so furchtbar wie die Taten der Menschen, die wir zu schnappen versuchen.«
»Eins zu null für Sie!«
»Wie auch immer, ich wollte es Sie nur wissen lassen.«
»Und ich bin Ihnen dankbar dafür.« Veronica setzte Tasse und Untertasse ab. »Ich würde Ruth Dünne gerne kennen lernen«, sagte sie. »Würde ich Ihnen zu viel zumuten, wenn ich Sie nach London begleite?«
Banks kratzte die Narbe neben seinem rechten Auge und schlug dann seine
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