Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
die mit Silberlöffeln im Mund geboren wurden, habe ich nicht viel übrig. Und sollte sich Harkness beim Polizeipräsidenten beschweren, weil er sich von dir belästigt fühlt, dann werde ich für dich eintreten, keine Frage. Aber pass ein bisschen auf, dass deine Objektivität dadurch nicht beeinträchtigt wird.«
Banks grinste. »Na gut«, sagte er. »Aber noch bin ich mit Mr Harkness nicht fertig. Ich habe mit der Polizei in Johannesburg telefoniert und ein paar Ermittlungen in Gang gesetzt. Man kann nie wissen, vielleicht gibt es doch noch ein paar Informationen zu diesem Skandal. Außerdem habe ich Piet in Amsterdam angerufen und gebeten, Harkness' Exfrau aufzuspüren. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass er irgendwie am Rande in die Sache verwickelt gewesen ist. Was ist mit deinem schwarzen Magier, Melville Westman?«
»Nichts«, erwiderte Gristhorpe. »Die Jungs haben sein Haus gründlich durchsucht. Er scheint sauber zu sein. Ich wette, dass Gemma zu einem bestimmten Zeitpunkt im Cottage der Manleys war und dass die Tünche auf ihren Sachen daher stammt. Was aber nicht heißen soll, dass ich mich nicht noch einmal mit Mr Westman unterhalten werde.« Gristhorpe lächelte. Ihm war bewusst, dass sich seine Einstellung zu Menschen wie Melville Westman und Lenora Carlyle nicht besonders von Banks' Einstellung zu den Reichen und Mächtigen unterschied: auch so eine Macke, aber nichtsdestotrotz ein Vorurteil.
»Morgen früh werde ich als Erstes meinen alten Kumpel Barney Merritt von Scotland Yard anrufen«, erklärte Banks. »Er wird über das Kriminalamt wesentlich schneller Informationen zu Chivers erhalten, als wenn wir über die offiziellen Kanäle gehen. Je mehr wir von ihm wissen, desto besser können wir einschätzen, wie er denkt. Der Kerl ist vielleicht noch nie eingesperrt gewesen, aber ich wette, er ist irgendwo aktenkundig.«
Gristhorpe nickte. »In Ordnung, ich habe nichts dagegen. Anscheinend arbeiten wir jetzt alle an demselben Fall. Am besten machst du dich noch mal mit allen Akten und Berichten zu Gemma vertraut und Phil soll Zugriff auf alle Dateien haben. Ich will diesen Kerl, Alan. Ich will ihn unbedingt. Ich will ihn vor mir sitzen haben und ich will ihn schwitzen sehen. Weißt du, was ich meine?«
Banks nickte und trank sein Glas aus. Hinter der Theke konnten sie Cyril »Feierabend« rufen hören. »Es ist spät«, sagte er leise. »Zeit, nach Hause zu gehen.«
»Stimmt. Alles in Ordnung?«
»Bestens«, antwortete Banks. »Aber sei froh, dass du keine Tochter hast.«
Mit zugeknöpftem Mantel ging Banks hinaus in den Regen und schaltete seinen Walkman ein. Als er um halb zwölf heimkehrte, lag das Haus im Dunkeln. Sandra war bereits im Bett, nahm er an, Tracy wohl ebenfalls. Er wusste, dass er noch nicht würde schlafen können, denn das Gespräch mit Gristhorpe ging ihm noch durch den Kopf, und da er im Pub nur zwei Pints getrunken hatte, meinte er, sich noch einen kleinen Scotch genehmigen zu dürfen. Behaupteten die Mediziner nicht, dass drei Drinks am Tage zuträglich seien? Irgendeine freundliche Seele hatte ihm eine Flasche Glen Garioch aus dem Schottland-Urlaub mitgebracht; also schenkte er sich ein Glas ein und setzte sich damit hin. Obwohl er im Haus eigentlich nicht rauchen sollte, zündete er sich eine Zigarette an und legte eine CD mit Barenboims Interpretationen von Chopins »Nocturnes« ein. Selbst bei geringer Lautstärke war die Klarheit des Klanges erstaunlich. Er hatte gerade begonnen, seine Gedanken um das Bild von Chivers, das er sich bisher gemacht hatte, kreisen zu lassen, als er hörte, wie die Eingangstür behutsam geöffnet und geschlossen wurde und dann die Treppe knarrte.
Er machte die Wohnzimmertür auf und sah Tracy auf Zehenspitzen die Stufen hinaufschleichen.
»Komm mal einen Moment her«, flüsterte er, um Sandra nicht zu wecken.
Schon halb oben, zögerte Tracy erst, dann zuckte sie mit den Achseln und folgte ihm ins Wohnzimmer.
Banks hielt ihr seine Armbanduhr hin. »Weißt du, wie spät es ist?«
»Natürlich.«
»Wo bist du gewesen?«
»Ich war mit Keith unterwegs.«
»Wo?«
»Oh, Dad! Wir waren im Kino und danach waren wir so hungrig, dass wir noch einen Burger essen gegangen sind.«
»Einen Burger? Um diese Zeit?«
»Im Einkaufszentrum hat ein neuer McDonald's aufgemacht. Er hat bis Mitternacht geöffnet.«
»Wie bist du nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher