Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
werden die Reichen reich und nur so bleiben sie reich.«
»Wahrscheinlich«, murmelte Richmond kleinlaut. »Und was machen wir jetzt?«
»Jetzt holen wir die Spurensicherung her«, antwortete Gristhorpe und griff nach dem Funkgerät.
* III
Als Banks an diesem Samstagabend gegen zehn Uhr heimkehrte, lag das Haus im Dunkeln. Tracy, so erinnerte er sich, war mit ihren Freunden bei einem Tanzabend in Relton. Banks hatte von ihr genau wissen wollen, wer mitkommen und wer fahren würde. Er war unschlüssig gewesen und wollte sie nur ungern gehen lassen, doch Sandra hatte sich für Tracy eingesetzt. Wahrscheinlich zu Recht, musste Banks zugeben. Falls es zwischen den jungen Kerlen aus Eastvale und aus Relton zu keiner Schlägerei kam - was allerdings ein ziemlich fester Bestandteil dieser Dorfbälle war -, dann dürfte die Veranstaltung eigentlich harmlos sein. Außerdem war Tracy mittlerweile ein großes Mädchen.
Aber wo war Sandra? Banks schaltete das Licht an und ging dann in die Küche, weil er dort eine Nachricht vermutete. Nichts. Besorgt und verärgert setzte er sich hin, machte den Fernseher an und zappte durch die Kanäle: eine amerikanische Polizeiserie, eine Dokumentation über Afrika, ein Piratenfilm, eine Quizshow. Er schaltete den Fernseher wieder aus. Die Stille im Haus bedrückte ihn. Das war doch albern. Normalerweise würde er seinen Anzug ausziehen und in eine Jeans und ein Sporthemd schlüpfen, sich einen Drink einschenken, etwas Musik auflegen und, wenn Sandra und Tracy noch nicht zurückgekehrt wären, vielleicht sogar eine Zigarette rauchen. Aber jetzt vermochte er nur dazusitzen und mit seinen Fingern auf die Sessellehne zu trommeln. Und das war blödsinnig. Er konnte einfach nicht zu Hause bleiben.
Er packte seine Jacke, ging hinaus in den kühlen Abend und marschierte die Market Street entlang, vorbei an den geschlossenen Läden, dem Golden Grill und dem Queen's Arms. Das Licht, das durch die roten und bernsteinfarbenen Butzenfenster schien, sah verlockend aus und hinter den kleinen, klaren Glasscheiben konnte er Leute an den Tischen sehen; aber anstatt hineinzugehen, spazierte er weiter in die North Market Street, die friedlich im Licht der altmodischen Gaslaternen und der Schaufensterauslagen mit exquisiten Teesorten, teurer Wanderausrüstung, importierten Schuhen und auserlesenen Tabakmischungen lag.
Der Haupteingang des Gemeindezentrums war offen. Aus dem Saal konnte Banks eine Sopranstimme hören, die sich zu einer unsicheren Klavierbegleitung durch Schuberts »Die junge Nonne« quälte. Es war Samstag, der Abend der Laienkonzerte. Er nahm die breite Treppe zu seiner Linken und ging hinauf in den ersten Stock. Aus einigen Räumen drangen Stimmen zu ihm, hauptsächlich fanden hier Sitzungen der örtlichen Vereine oder verschiedener Ausschüsse statt. Die Doppelglastür zur Galerie war geschlossen, aber hinter der Trennwand am anderen Ende des Raumes schien ein schwaches Licht hervor.
Banks ging leise durch die mit Teppich ausgelegte Galerie, an deren Wände zurzeit keine Bilder hingen, und blieb schließlich vor dem beengten Büro stehen. Er hatte Sandras Stimme bereits gehört, sie hatte ihn aber noch nicht bemerkt.
»Aber das können Sie doch nicht machen«, flehte sie gerade. »Sie haben bereits zugesagt ... Was? Es ist Ihnen ... Jetzt hören Sie mal ...« Sie hielt den Hörer am ausgestreckten Arm und fluchte, bevor sie ihn auf die Gabel knallte. Dann holte sie zweimal tief Luft, schob ein paar Strähnen ihres blonden Haares hinter die Ohren und nahm den Hörer wieder ab.
»Sandra«, sagte Banks so sanft er konnte.
Sie drehte sich um und legte eine Hand vor die Brust. Banks sah, dass ihr vor Wut Tränen in den Augen standen. »Alan, du bist das. Was machst du denn hier? Gott, hast du mich erschreckt.«
»Entschuldige.«
»Hör zu, im Moment ist es gerade ungünstig. Ich habe furchtbar viel zu tun.«
»Lass uns was trinken gehen.«
Sie begann eine Nummer zu wählen. »Würde ich liebend gerne, aber ich ...«
Banks unterbrach die Verbindung.
Sandra stand auf und sah ihn zornig an. »Was zum Teufel soll das?«
Er nahm ihren Arm. »Komm. Lass uns gehen.«
Sie schüttelte ihn ab. »Was ist los mit dir?«
Banks seufzte und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Schau dich doch mal an«, sagte er. »Du bist völlig mit den Nerven runter.« Er lächelte. »Du siehst aus, als könntest du jemanden
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