Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
kann ich sie finden?«, stammelte sie. »Wo soll ich suchen? Sagen Sie mir, wo soll ich suchen?«
* ACHT
* I
Bis Dienstagmorgen hatte die Spurensicherung nichts aufgespürt, was im Garten des Ferienhauses vergraben war, und auch im Hochmoor, wo Gemmas Kleidung gefunden worden war, hatten die Suchtrupps keine aufschlussreichen Entdeckungen gemacht. Gristhorpe saß in seinem Büro, ging die Berichte durch und wartete auf die Laborergebnisse über Parkinsons Wagen. Draußen begannen schmutzige, wie schwarze Wollknäuel aussehende Wolken von Westen her aufzuziehen.
Es war fast zwölf Uhr, als Vic Manson anrief.
»Haben Sie etwas gefunden?«, fragte Gristhorpe.
»Eine Menge. Das Mädchen war auf jeden Fall im Wagen. Wir haben ihre Fingerabdrücke gefunden. Am Fenster, an der Lehne des Vordersitzes, überall. Ich habe sie mit denen in der Akte verglichen und sie stimmen überein.«
»Gute Arbeit, Vic.«
»Außerdem haben wir gelbe Fasern gefunden.«
»Von den Latzhosen?«
»Sieht so aus. Ich warte noch auf die Bestätigung.«
»Und sonst?«
»Auf die Kopfstütze des Fahrersitzes ist etwas schwarzes Haarfärbemittel abgefärbt. In den Reifenprofilen steckt Erde und Schotter, aber das Zeug könnte von überall hier aus der Gegend stammen. Von einem Rastplatz, einem Weg, einer Auffahrt, einem Steinbruch, was weiß ich.«
»Keine besondere Kalksteinablagerung, die man zum Beispiel nur bei Aldington Edge findet?«
Manson lachte. »Leider nicht. Aber erinnern Sie sich an das weiße Pulver auf den Latzhosen, von dem ich Ihnen erzählt habe? Das ist Kalklösung, höchstwahrscheinlich Tünche.«
»Wo stammt die her?«
»Das gleiche Problem wie bei der Erde und dem Schotter - sie könnte eigentlich überall herstammen. Von einer Pubwand, einem Keller oder einem Außenklo.«
»Genauer können Sie sich nicht festlegen?«
»Tünche ist Tünche. Und wenn Sie jetzt freundlicherweise aus der verfluchten Leitung gehen und mich mit den Bestätigungen weitermachen lassen würden - wir haben hier nämlich einen Haufen Zeug, das der gerichtlichen Prüfung standhalten muss, falls Sie die Kerle schnappen.«
»Schon gut, schon gut. Und - Vic?«
»Was?«
»Ich bin Ihnen unendlich dankbar.«
»Das werde ich mir merken.«
Gristhorpe legte auf. Nun brauchte er nicht länger herumzusitzen und auf das Klingeln des Telefons zu warten. Es gab ein paar Dinge zu erledigen: Parkinson musste noch einmal befragt werden, ebenso seine Nachbarn; außerdem sollte er sich mit der Presse und dem Fernsehen in Verbindung setzen. Vielleicht konnten sie diesen Fall in »Crimewatch« bringen. Und wo hatte er erst kürzlich Tünche gesehen? Auf dem Weg nach draußen rief er nach Richmond und eilte dann den Flur hinab zum Treppenhaus.
* II
Warum in aller Welt, überlegte Banks, während er in Corrigan's Bar and Grill in der York Road nahe des Busbahnhofes saß, fühlten sich so viele Menschen von diesen trendigen, umgebauten Lokalen angezogen? Was zum Teufel war an einem bodenständigen, guten, alten Pub auszusetzen? Man brauchte sich nur Le Bistro anzuschauen, dieses Lokal, in dem er sich letzte Woche mit Jenny getroffen hatte. Korallenrote Tischdecken, langstielige Weingläser, steife Servietten und der ganze Schnickschnack.
Und nun das: Fast über Nacht schien dieser Laden vom Yorkshire des achtzehnten Jahrhunderts ins New York des zwanzigsten Jahrhunderts verlegt worden zu sein, stilgerecht mit Nischen, Messinggeländer, rechteckigen Tischen mit Resopalplatten sowie Kellnerinnen, die vielleicht in New York auf Trab gewesen wären, sich aber in Yorkshire mit ihrer normalen Was-kümmert-es-mich-Geschwindigkeit bewegten. Das wenigstens hatte sich nicht verändert.
Dann die Speisekarte: eine großformatige, eingeschweißte Karte mit tolldreisten, handgeschriebenen Gerichten zu ungeheuerlichen Preisen. Natürlich Burgen Club Sandwiches, Corned Beef auf Toast (und zwar nicht von Fray Bentos), dazu solch typische Köstlichkeiten zum Nachtisch wie Erdbeer-Käsekuchen, Pecannusskuchen und Frozen Yoghurt. Und das alles zur Begleitung von (Gott sei Dank nicht zu lautem) Euro-Pop.
Vielleicht war er seit seinem Umzug nach Yorkshire konservativ geworden, überlegte er. In London hätten Sandra und er die Veränderungen, die sich seit den sechziger Jahren scheinbar immer rasanter vollzogen, bestimmt zufrieden hingenommen und sich an der
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